G8-Treffen in Heiligendamm:Radikal, realistisch, grün

Vor 15 Jahren trafen sich die G8-Führer in München - Grüne und Globalisierungsgegnern demonstrierten einträchtig und gemeinsam. Diesmal ist alles anders.

von Robert Roßmann

Ach, wie einfach war die Welt 1992 doch noch. Da trafen sich in München die großen Industrienationen zum Weltwirtschaftsgipfel, und vor den Türen demonstrierten die Grünen einträchtig mit all den anderen Guten und Engagierten gegen die bösen Regierungschefs.

Jetzt kommen die großen Acht erneut nach Deutschland, die Grünen sind wieder in der Opposition - aber nichts ist wie damals. Statt vereint zu marschieren, reisen Grüne und Globalisierungsgegner getrennt nach Heiligendamm.

Anerkennung für Roth und Bütikofer

Die Grünen haben den Aufruf für die Gegendemonstration nicht unterschrieben und damit Attac und viele andere Veranstalter enttäuscht. Auch so mancher Basisgrüne kann seine Parteispitze nicht mehr verstehen. Dabei gebührt Claudia Roth und Reinhard Bütikofer für ihre überraschend konsequente Haltung Anerkennung.

Denn der Aufruf ist nicht so harmlos, wie die Veranstalter glauben machen wollen. Da wird die G8 etwa pauschal als "Vorreiter einer auf Krieg gestützten Weltordnung" gebrandmarkt. Dass MLPD, DKP und Oskar Lafontaine diese etwas schlichte Sicht der Dinge unterschrieben haben, verwundert niemanden. Die Grünen hätten damit aber all ihr Tun der vergangenen Jahre verraten.

Die Versuchung für die Partei war trotzdem gewaltig. Nach sieben Regierungsjahren ist das so wichtige Verhältnis zu Attac und vielen anderen außerparlamentarischen Initiativen deutlich erkaltet. Bütikofer und Roth hätten in Heiligendamm den alten Freunden einfach nach dem Mund reden können, um die Beziehung wiederzubeleben.

Sie haben es nicht getan. Die Partei hat damit - zumindest in diesem Fall - ihr Versprechen erfüllt, nicht mehr radikal, sondern radikal realistisch sein zu wollen.

© SZ vom 05.04.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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