Früheres Jugoslawien:Grenzstreit ohne Ende

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Der EuGH entscheidet nicht über den kroatisch-slowenischen Disput um die Bucht von Piran am Mittelmeer - das Gericht fordert aber beide Länder dazu auf, sich endlich zu einigen. Es ist nicht der einzige Grenzstreit im früheren Jugoslawien.

Von Thomas Kirchner, München

Im langjährigen Grenzstreit mit Kroatien hat Slowenien eine empfindliche Niederlage erlitten. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) erklärte sich am Freitag für unzuständig für die von Slowenien eingereichte Vertragsverletzungsklage gegen das EU-Nachbarland. Er folgte damit der Ansicht eines Generalanwalts. Allerdings erinnerten die Luxemburger Richter die Parteien ausdrücklich an ihre Verpflichtung, den Streit zu lösen.

Der fast 30 Jahre währende Konflikt dreht sich um die von beiden Ländern umschlossene Bucht von Piran in der nördlichen Adria und die Frage, wo genau darin die Grenze verläuft. Dabei geht es um alte Rechte, etwa bei der Fischerei, für Slowenien aber auch darum, einen direkten Zugang zu internationalem Gewässer zu haben. Kroatien wurde schließlich unter der Bedingung in die EU aufgenommen, dass sich beide Staaten dem Schiedsspruch eines internationalen Gerichts zu der Frage fügen. Aus diesem Schiedsverfahren zog sich die kroatische Regierung 2015 jedoch zurück. Als Grund konnte Zagreb einen Formfehler Sloweniens angeben, dessen Vertreter im Gericht unzulässigen Kontakt mit einem Regierungsbeamten gehabt hatte.

Ein neu zusammengesetztes Schiedsgericht sprach Slowenien schließlich im Jahr 2017 drei Viertel der Bucht und den gewünschten Seekorridor zu, während es kroatischen Wünschen bei der Landgrenze entgegenkam. Kroatien erkennt den Spruch jedoch nicht an und besteht auf der Hälfte der Bucht. Es bestreitet auch, dass es sich beim Schiedsspruch um eine völkerrechtlich bindende Entscheidung handelt. Nach gescheiterten Vermittlungsversuchen strengte die slowenische Regierung 2018 ein Vertragsverletzungsverfahren an, das nach Art. 259 des EU-Vertrags möglich ist, wenn ein anderer Mitgliedstaat "gegen eine Verpflichtung aus den Verträgen verstoßen hat".

Es gibt noch mehr ungelöste Grenzkonflikte auf dem Balkan

Ein möglicher Verstoß sei im konkreten Fall nachrangig im Vergleich zum Kern der Sache, nämlich der bilateral angestrengten internationalen Schlichtung des Grenzstreits, urteilten die Richter in Luxemburg. Dies aber falle nicht unter EU-Recht und somit nicht unter die Jurisdiktion des EuGH. Außer Betracht lässt das Gericht dabei, dass die EU in den Streit auf vielfältige Weise involviert war - unter anderem trugen die EU-Kommission und europäische Diplomaten dazu bei, dass das Schiedsverfahren überhaupt zustande kam.

Der Balkan-Experte Thomas Bickl von der Universität Duisburg-Essen verwies auf weitere ungelöste Grenzkonflikte mit EU-Beitrittskandidaten auf dem Balkan, etwa die Grenze entlang der Donau zwischen Kroatien und Serbien oder die gegenseitige Anerkennung von Serbien und Kosovo. Eine Lehre sei: "Konflikte müssen vor dem EU-Beitritt gelöst werden, nicht danach."

© SZ vom 01.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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