Frühere Vorhersagen:Außerordentliche Ausreißer

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Frühere Bevölkerungsvorausberechnungen waren nur sehr bedingt treffsicher. Trendwenden sind nun mal nicht vorherzusehen. Den Alterungsprozess der Gesellschaft haben sie hingegen relativ gut vorhergesagt.

Von Bernd Oswald

Seit mehr als 50 Jahren erarbeitet das Statistische Bundesamt Bevölkerungsvorausberechnungen - ohne Auftrag der Bundesregierung, denn diese Aufgabe gehört zum Standardprogramm der Statistiker. Zehn Mal hat sich die Wiesbadener Behörde daran gemacht, Aussagen über die zukünftige Entwicklung der Bevölkerung in Deutschland zu machen, erstmals 1951, zuletzt 2003.

Geschätzte und tatsächliche Bevölkerungsentwicklung (Foto: Grafik: Statistisches Bundesamt)

Eine Anlayse dieser Vorausberechnungen zeigt: Es ist so gut wie unmöglich, Trendwenden wie Geburtenrückgang oder Zuwanderungsströme abzusehen. Auch die ständig steigende Lebenserwartung der Deutschen wurde mehrmals hintereinander unterschätzt.

Ein weiteres Problem der Berechnungen: Sie orientierten sich zu lange Zeit an der Ausgangssituation, die sich in der tatsächlichen Entwicklung aber nicht fortsetzte. Bei der ersten Rechnung mit Basisjahr 1951 wurde die Geburtenrate zu lange zu niedrig angesetzt. Der Mitte der 1950er Jahre einsetzende Geburtenanstieg kam unerwaretet - und blieb unberücksichtigt. Auch der Rückgang der Sterblichkeit und die zunehmende Lebenserwartung wurden nicht vorhergesagt. Das gilt auch für einige weitere Bevölkerungsvorausberechnungen.

Die größten Abweichungen zwischen Vorhersage und tatsächlicher Bevölkerungsentwicklung gab es aber durch die große Zuwanderung nach Deutschland von Mitte der 50er bis Ende der 60er Jahre. Damals gab es in Deutschland zu wenig Arbeitskräfte und man warb ausländische Arbeitnehmer an.

Die Folge: Vor allem die erste Bevölkerungsvorausberechnung von 1951 sagte eine deutlich geringere Gesamtbevölkerung vorher als es dann in der Realität der Fall war (Schaubild 1)

Spätere Rechnungen mussten dann den Fall der Mauer und den damit verbundenen Zustrom von Menschen aus der ehemaligen DDR und anderen Ostblock-Ländern übersehen.

Relativ gut wurde hingegen der Altenquotient der deutschen Bevölkerung vorhergesagt, wie folgende Abbildung zeigt. (Schaubild 13)

Für die jüngeren Bevölkerungsvorausberechnungen scheinen die Statistiker aus den früheren Fehlern gelernt zu haben. Die Annahmen sind ausgewogener geworden und lassen "künftig eine verbesserte Treffsicherheit erwarten", wie Manfred Bretz, langjähriger Gruppenleiter Bevölkerungsstatistiken im Statistischen Bundesamt sagt.

Eines darf man nicht vergessen, wenn man den Stab über statistische Vorausberechnungen bricht: Sie zeigen nur den erwarteten langfristigen Trend auf. Daher darf man sie auch nur am mehrjährigen Durchschnitt der tatsächlichen Entwicklung messen.

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