Fremdenfeindlichkeit:"Die Kritik an der Polizei zeigt die Hilflosigkeit der Politiker"

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Nach dem Angriff auf den Linkspolitiker Sayan hat Berlins Polizeipräsident Glietsch seine Beamten gegen Schuldzuweisungen in Schutz genommen. Unterdessen werden Forderungen laut, eine Nazi-Demonstration vor dem WM-Spiel Iran gegen Angola zu verbieten.

Berlins Polizeipräsident Dieter Glietsch hat seine Behörde gegen Schuldzuweisungen von Politikern in Schutz genommen.

"Jeder weiß, das Rechtsextremismus und Gewalt nicht einfach Sicherheitsprobleme sind, die von der Polizei gelöst werden können", sagte Glietsch.

Wenn Politikern nach fremdenfeindlichen Übergriffen nichts Besseres einfalle als ungerechtfertigte Pauschalkritik an der Polizei, dann "ist das ein Ausdruck der Hilflosigkeit".

Die Polizei war nach dem vermutlich fremdendfeindlichen Überfall auf den türkischstämmigen Berliner Linkspartei-Politiker Giyasettin Sayan kritisiert worden.

So hatte der Vorsitzende des Innenausschusses im Bundestag, Sebastian Edathy (SPD), den Berliner Polizeibehörden vorgeworfen, in einigen Fällen nicht schnell genug gehandelt oder Anzeigen und Anrufe nicht ernst genug genommen zu haben.

In Berlin sei der Kampf gegen Fremdenfeindlichkeit und Gewalt seit Jahren ein Schwerpunkt der polizeilichen Arbeit, betonte Glietsch.

Auch der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Konrad Freiberg, wies Vorwürfe zurück, die Polizei tue nicht genug gegen den Rechtsextremismus.

GdP-Vorsitzender: An Lösungen wird nicht gearbeitet

"Wir lassen uns nahezu jedes Wochenende bei Großeinsätzen zu NPD-Demonstrationen anpöbeln, beschimpfen und manche Kollegen werden bei diesen Einsätzen sogar verletzt", sagte er dem Tagesspiegel.

Rechtsextremistische Gewalttaten lösten zwar eine kurzzeitige Empörung aus, doch an Lösungen für das Problem werde nicht gearbeitet.

"Dass wir in Zusammenarbeit mit der Justiz, den Bezirken, den Schulen und vielen zivilgesellschaftlichen Gruppierungen alles uns Mögliche tun, um Rechtsextremisten Grenzen zu setzen und der Gewalt entgegenzuwirken, wurde bisher von allen demokratischen Parteien anerkannt, und das ist auch gut so", sagte Glietsch.

"Es muss nämlich allen daran gelegen sein, die Polizei und ihre Partner zu stärken. Mit ungerechtfertigter Kritik kann es nicht gelingen."

Den Bemühungen der Polizei zum Trotz ist die Zahl der Neonazis und gewaltbereiten Rechtsextremisten in Deutschland letztes Jahr gestiegen. Das geht aus dem Verfassungsschutzbericht 2005 hervor, der heute vorgestellt werden soll.

Demnach registrierte das Bundesamt für Verfassungsschutz einen Anstieg der Zahl der Neonazis von 3800 im Jahr 2004 auf 4100 im Vorjahr.

Fahndung nach Sayan-Angreifern bislang ohne Erfolg

Noch immer fahndet die Polizei weiter nach den mutamßlichen Rechtsextremisten, die Sayan angegriffen hatten. Es gebe zwar Hinweise, aber eine konkrete Spur sei nicht dabei, sagte ein Sprecher der Behörde.

Sayan war am Freitagabend in Berlin-Lichtenberg von zwei Unbekannten als Ausländer beschimpft und mit einer Flasche niedergeschlagen worden. Berlins Polizeipräsident Glietsch hat inzwischen für Hinweise, die zur Ergreifung der Täter führen, eine Belohnung von bis zu 3000 Euro ausgesetzt. Es werden weiter Zeugen gesucht.

Der Staatsschutz hat den Fall übernommen. Lichtenberg gilt als eine Hochburg der Neonazi-Szene.

Inzwischen fordern führende Politiker das Verbot einer geplanten Nazi-Demonstration vor dem Spiel der Fußball-Weltmeisterschaft Iran gegen Angola am 21. Juni in Leipzig.

"Die Glatzen dürfen uns nicht die WM kaputt machen"

"Wir müssen unbedingt verhindern, dass die Rechtsradikalen das Ansehen Deutschlands in der ganzen Welt blamieren. Die Glatzen dürfen uns nicht die WM kaputt machen", sagte der stellvertretende CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende Wolfgang Bosbach der Bild-Zeitung.

Die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Renate Künast, sagte der dem Blatt. "Wenn der Aufmarsch nicht verboten werden kann, muss die Polizei mit aller Macht dafür sorgen, daß die Neonazis nicht in die Nähe des Stadions kommen."

FDP-Generalsekretär Dirk Niebel forderte gegenüber der Zeitung: "Rechtsradikale und Hooligans müssen aus den Stadien rausgehalten werden. Man darf die Fußball-Weltmeisterschaft nicht den Chaoten und Extremisten überlassen".

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