"Baby", sagt der Maurer Bigboy M. und legt eine Hand zart auf die Schulter seiner Frau, "ich muss jetzt gehen, sonst finde ich keinen Schlafplatz mehr." Primrose M. steht auf der Treppe in der Polizeiwache der Township Alexandra und schaut ihm nach.
In den vergangenen Tagen gingen Südafrikaner in mehreren Townships brutal gegen afrikanische Ausländer vor.
(Foto: Foto: AP)Das Paar aus Simbabwe gehört zu den knapp 1000 Menschen, Tendenz steigend, die seit Sonntag, 11. Mai, in dem Revier Schutz suchen. Jeden Abend kurz vor der Dämmerung, die Gefahr verheißt, kommen neue Flüchtlinge mit großen Koffern.
Sie sind afrikanische Ausländer in Südafrika, sie werden bedroht, gejagt, getötet. Frauen und Kinder schlafen im ersten Stock der Polizeistation. Die Männer draußen auf dem Boden in provisorischen Zelten, bei sieben Grad Celsius in dieser Nacht.
Hier in Alexandra, einer der ältesten Townships von Johannesburg, begann die Gewaltwelle. Laut der Zeitung Mail and Guardian entsprang sie aus Versammlungen von Anwohnern und Busbetreibern, in denen Kriminalität und ein angeblich zunehmender Ausländeranteil am Busgeschäft debattiert wurden.
Grünes Licht für die Armee
Seither laufen Gruppen von Männern und Frauen von Haus zu Haus, und wo sie Ausländer finden, folgen Mord, Raub, Vergewaltigung. Mehr als 25 Menschen starben bisher, erschlagen die meisten, manche lebendig verbrannt, andere aus Fenstern gestürzt. Rund 20.000 suchen mittlerweile Zuflucht in Polizeistationen, Kirchen, sicheren Unterkünften in ganz Johannesburg.
Weil die Polizei die Gewalt nicht in den Griff bekommt, hat Präsident Thabo Mbeki am Mittwoch grünes Licht für einen Armee-Einsatz gegeben. Unter anderem die südafrikanische Menschenrechtskommission und die Oppositionspartei Democratic Alliance hatten das gefordert. Es wird der erste Militäreinsatz in den Townships seit dem Ende der Apartheid sein.
Damit verbindet sich die Gefahr neuer Konflikte, denn viele Township-Bewohner haben traumatische Erinnerungen an die Panzereinsätze des Apartheid-Regimes. In weiten Teilen der Townships bekommen die südafrikanischen Bewohner von den Mörderbanden gar nichts mit.
Dort ist es nachts still wie immer in den fast autolosen Straßen, und nur gelegentlich über die Häuser fliegende Hubschrauber zeugen von einer Ausnahmesituation. Das wird sich ändern, sobald Panzer durch die Straßen rollen.
Geschätzte fünf Millionen ausländische Afrikaner leben in Südafrika, davon allein drei Millionen aus dem zerrütteten Nachbarland Simbabwe. Die aktuellen Ausschreitungen gegen arme Fremde sind nicht die ersten, aber die gewalttätigsten.
Gewaltbereite und Sympathisanten
Viele Südafrikaner werfen - afrikanischen - Ausländern vor, für die hohe Kriminalitätsrate verantwortlich zu sein. Außerdem würden sie den Südafrikanern die Arbeit stehlen und so zu der stagnierend hohen Arbeitslosigkeit beitragen. Statistiken belegen diese Vorwürfe nicht.
Die tatsächliche Zahl der Gewaltbereiten ist schwer einzuschätzen, ebenso wie die Zahl derjenigen, die sich selbst die Hände nicht schmutzig machen, aber Beifall klatschen, wenn ein Mensch ermordet wird. Ein Analyst des Instituts für Sicherheitsstudien (ISS) in Pretoria schätzt diese letzte Gruppe hoch ein.
Lesen Sie auf Seite 2, wie die Angreifer ihre brutalen Übergriffe rechtfertigen.