Frankreichs Präsident und Irans Bombe:Chirac zieht brisantes Interview zurück - die Zeitungen drucken es trotzdem

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Frankreichs Präsident Chirac sorgt mit unbedachten Äußerungen für Wirbel: In einem Interview sagte er, eine Atombombe Irans sei "nicht sehr gefährlich", weil bei deren Einsatz "Teheran dem Erdboden gleichgemacht" werden würde.

mabau

Wenige Monate vor seinem Amtsende gewährte Frankreichs Staatschef Jacques Chirac mehreren Journalisten ein freimütiges Interview. Ausführlich äußerte sich der Präsident über die hohe internationale Politik, was nun für Schlagzeilen sorgt - allerdings nicht in Chiracs Sinne.

Der konservative Politiker hatte mit Pressevertretern über den möglichen Nuklearwaffenbesitz Irans gesprochen. Unter anderem sagte er, es sei "nicht sehr gefährlich", falls Iran eine oder zwei Atombomben hätte, sagte er.

Denn: "Wo wollte Iran diese Atombombe denn abwerfen? Auf Israel? Die Trägerrakete wäre noch nicht einmal 200 Meter weit in die Atmosphäre eingedrungen und Teheran würde dem Erdboden gleichgemacht."

Überraschendes zweites Interview

Gefährlich am iranischen Atomwaffenprogramm sei hingegen die mögliche Weitergabe von Nuklearwaffen an Länder wie Saudi-Arabien oder Ägypten, sagte der 74-Jährige. So schrieben es die Journalisten der International Herald Tribune, der New York Times und des Wochenmagazins Le Nouvel Observateur auf.

Die Nachricht war ein Knüller: Denn Chiracs Äußerung, wonach Teherans Bombe nicht gefährlich sei, stellt einen deutlichen Unterschied zur Haltung des Westens dar. Die anderen europäischen Länder und die Vereinigten Staaten wollen unbedingt verhindern, dass Iran Atommacht wird.

Das gemeinsame Interview sollte am Donnertag in den beteiligten Zeitungen erscheinen. Doch es kam anders.

Einen Tag nach dem Gespräch bat Chirac die beteiligten Journalisten unerwartet zu einem zweiten Besuch in den Präsidentenpalast - und nahm dort einen großen Teil seiner Äußerungen zurück.

Seine Aussagen seien nicht zum Zitieren vorgesehen gewesen. Er habe gedacht, es handele sich um ein vertrauliches Gespräch. "Ich hätte mehr darauf achten sollen, was ich sage." Dass die Journalisten das Gespräch auf Band aufgenommen hatten, was in Hintergrundgesprächen nicht üblich ist, sei ihm erst später aufgefallen.

Iran auf dem Weg zur Atommacht

"Ich habe etwas schnell gesprochen und ich nehme natürlich die Äußerung zurück, dass jemand Iran auslöschen würde, ich kann mir nicht vorstellen, dass wir Teheran dem Boden gleichmachen könnten", schob Chirac hinterher.

Immerhin hielt Chirac seine Einschätzung aufrecht, dass "wenn Iran eine Atombombe besäße und diese gezündet würde, sie unmittelbar zerstört würde, bevor sie den iranischen Himmel verließe". Zudem würde es "unweigerlich Vergeltungs- und Zwangsmaßnahmen" geben. "Das ist das ganze System der nuklearen Abschreckung", sagte Chirac und fügte hinzu: "Was sehr gefährlich ist, ist die Weiterverbreitung."

Das Umfeld Chiracs hat der International Herald Tribune zufolge durchblicken lassen, dass der Präsident in den letzten eineinhalb Jahren in diplomatischen Gesprächen weniger präzise formuliert habe. Chirac habe auch angedeutet, Iran sei auf dem Weg zur Atommacht nicht mehr zu stoppen.

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