Frankreichs Atompolitik:Berlin: Chiracs Drohung nichts Neues

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Die Bundesregierung sieht in den Äußerungen des französischen Staatspräsidenten zum Einsatz von Atomwaffen gegen Terrorstaaten keine Veränderung der französischen Nuklearpolitik - im Gegenteil.

Jacques Chirac habe in seiner Rede "bekräftigt, dass die bekannte französische Nukleardoktrin sich insoweit nicht geändert hat, dass Nuklearwaffen für Frankreich kein Instrument der Kriegsführung sind, sondern der Abschreckung dienen und stets die Ultima Ratio darstellen, auch vor dem Hintergrund neuer Bedrohungen, auf die der Präsident hingewiesen hat", sagte der stellvertretende Regierungssprecher Thomas Steg.

Chirac wende sich vor allem an ein innenpolitisches Publikum, um die französische Nuklearpolitik immer wieder neu zu erklären. Die Bundesregierung habe auch keinen Grund zu der Annahme, dass sich die französische Position verändert habe oder verändert werde, so Steg.

Man habe überdies keinen Zweifel daran, dass Frankreich weiterhin zu seinen internationalen Verpflichtungen stehe und sie wie in der Vergangenheit mit großen Verantwortungsbewusstsein wahrnehme.

Chirac hatte mit seiner Rede am Donnerstag auf dem bretonischen Atom-U-Boot-Stützpunkt Ile Longue die französische Doktrin der Abschreckung jedoch zumindest teilweise neu definiert.

Bisher hatte sich Frankreich den Einsatz von Kernwaffen nur für den Fall einer Bedrohung seiner territorialen Integrität, seiner Bevölkerung und Souveränität vorbehalten.

Gestern jedoch sagte der Staatspräsident, die Gefährdung der strategischen Versorgung durch Terroranschläge und die Verteidigung von verbündeten Staaten könnten den Einsatz von Atomwaffen rechtfertigen.

Die Worte Chiracs wurden auch dahingehend interpretiert, dass Frankreich sich atomare Präventivschläge auf Länder mit Massenvernichtungswaffen vorbehalte.

Die Atomwaffen-Drohung Chiracs war in Deutschland deshalb mit teilweise heftiger Kritik aufgenommen worden.

"Deckungsgleiche Iran-Positionen"

Die Bundesregierung nehme zur Kenntnis, dass es öffentliche Interpretationen der Rede gebe, die einen unmittelbaren Zusammenhang mit dem Streit um das iranische Atomprogramm herstellen, sagte Steg.

Aber: "Es gibt keinen Zweifel, dass Frankreich in enger Abstimmung mit Großbritannien und Deutschland im Kreis der EU-3 eine Position vertritt, die abgestimmt ist", erklärte Steg. Und die sei "deckungsgleich mit unserer Überzeugung".

Steg schloss nicht aus, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel das Thema bei ihrem Treffen mit Chirac am Montag in Versailles ansprechen wird.

Zwar gebe es für Treffen dieser Art keine feste Tagesordnung, doch würden dort gewöhnlich die aktuellen politischen Themen angesprochen.

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