Frankreich:Vertrauter Chiracs wegen Korruption verurteilt

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Alain Juppé, Vorsitzender der Partei des französischen Präsidenten Jacques Chirac, UMP, ist zu einer 18-monatigen Haftstrafe auf Bewährung verurteilt worden. Juppé hat bereits Berufung eingelegt.

Von Gerd Kröncke

Das Gericht in Nanterre ging damit weit über den Antrag der Anklage hinaus, die zehn Monate gefordert hatte. Mit einem solch harten Urteil hatte in Paris niemand gerechnet. Juppé wurde illegaler Vorteilsnahme schuldig gesprochen, ein Korruptionsdelikt.

Die Vorwürfe gehen in die neunziger Jahre zurück, als Chirac noch Bürgermeister von Paris und Juppé einer seiner wichtigsten Mitarbeiter war. Zwar tritt das Urteil noch nicht in Kraft - der Verteidiger hat Berufung angekündigt - doch dürfte Juppés Karriere beendet sein.

Nach Einschätzung der Kommentatoren ist seine Autorität dahin. Juppé selbst hatte angekündigt, dass er im Falle der Unwählbarkeit - die einem rechtskräftigen Urteil in dieser Höhe automatisch folgt - ein für alle Mal aus der Politik ausscheiden werde.

Fiktive Angestellte im Rathaus

In dem Verfahren war es um das System fiktiver Angestellter im Rathaus gegangen: Mitglieder der damaligen Chirac-Partei RPR standen auf der Gehaltsliste der Stadt oder wurden von Bauunternehmen bezahlt, während sie in Wirklichkeit für die Partei arbeiteten.

Juppé war damals RPR-Generalsekretär. Vor Gericht bestritt er, von den Machenschaften gewusst zu haben. Er habe lediglich eine "gewisse Unordnung" in den Parteifinanzen beobachtet, mit der er dann aufgeräumt habe.

Zum Verhängnis dürften Juppé die Aussagen von ehemaligen Mitarbeitern geworden sein. So hatte sein damaliger Kabinettschef Yves Cabana eingeräumt, jeder sei im Bilde gewesen, "alle Welt" habe das System gekannt. Daran war Juppés Verteidigungsstrategie zerbrochen. Juppé will nicht einmal gewusst haben, dass seine Privatsekretärin im Partei-Büro aus illegalen Mitteln bezahlt wurde.

Hoffnung bis zuletzt

Trotzdem hatte er bis zuletzt gehofft, zumal sogar der Staatsanwalt darauf verzichtet hatte, die passive Unwählbarkeit zu fordern. "Es ist nicht Sache des Richters, sondern die des Volkes, über seinen Ausschluss aus dem politischen Spiel zu entscheiden", hatte der Staatsanwalt appelliert.

Nur Juppés Verteidiger Francis Szpiner war klar gewesen, wie schlecht der Prozess für seinen Mandanten wirklich gelaufen war. Er stellte vergeblich die Verdienste Juppés um die Demokratie heraus.

Juppé hatte seine Laufbahn als Redenschreiber für Chirac begonnen und ist politisch nie von dessen Seite gewichen. Er gilt als einer der Architekten des Chirac-Sieges bei den Präsidentschaftswahlen und hatte sich selbst ernsthaft Hoffnung auf dessen Nachfolge gemacht.

Mit seinem wahrscheinlichen Ausscheiden wird die Position des Präsidenten erheblich geschwächt.

© SZ vom 31.01.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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