Frankreich und Italien:Ungleiche Schwestern

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Flüchtlinge, Libyen-Politik, Staatshilfe für eine Werft: Schlagartig ist das italienisch-französische Verhältnis belastet. Das ist kein gutes Omen für die neue Europapolitik, die Präsident Macron versprochen hat.

Von Stefan Ulrich

Frankreich und Italien, die romanischen Schwestern, haben viel gemeinsam und vor allem eines, was sie trennt: Die Franzosen leben traditionell in einem starken Staat, die Italiener in einem schwachen. Gerade ist das gut zu beobachten. Der französische Präsident Emmanuel Macron, ein forscher Mann, trumpft mit frischen Wahlsiegen im Rücken mächtig auf. Der italienische Premier Paolo Gentiloni dagegen, ein ruhiger Charakter, regiert als Übergangslösung bedächtig auf die Wahlen zu, die bald anstehen. Das verschärft das Ungleichgewicht zwischen beiden Nationen. Die Folge: Italien fühlt sich von Frankreich düpiert.

Dabei hatte man in Rom zunächst voll auf den erklärten Muster-Europäer Macron gesetzt. Doch dann hatte dieser nur ein paar warme Worte für die von der Flüchtlingskrise gebeutelten Italiener übrig. Aktive Solidarität, wie sie die Regierung Gentiloni erbittet: Fehlanzeige. Stattdessen blockiert Frankreich seine Häfen für Schiffe mit Migranten. Es übernimmt bislang längst nicht so viele Flüchtlinge von Italien wie versprochen. Und es sperrt die Grenze zwischen Ventimiglia und Menton, so dass sich auf italienscher Seite die Menschen aus Afrika stauen.

Präsident Macron brüskiert die Regierung in Rom - das ist unklug

Der nächste Schlag folgte in Libyen, einer früheren italienischen Kolonie. Rom ist mit dem Land besonders verbunden, wegen Wirtschaftsinteressen und weil von dort Zehntausende Flüchtlinge über das Mittelmeer nach Italien übersetzen. Als Macron jedoch gerade einen Libyen-Gipfel in Paris abhielt, war die italienische Regierung nicht gefragt. Das weckt ungute Erinnerungen an Rivalitäten der Kolonialzeit. In Rom ist der "Schiaffo di Tunisi" (die Tunis-Ohrfeige) vom Ende des 19. Jahrhunderts unvergessen. Damals schnappten die Franzosen durch eine Militärinvasion den Italienern Tunesien als Kolonie weg.

Und jetzt auch noch die Geschichte um die STX-Werft in Saint-Nazaire. Die französische Regierung will das Unternehmen verstaatlichen, damit die italienische Gruppe Fincantieri keine Mehrheit daran erlangt. Das zeugt von dem Protektionismus und Etatismus, den die Italiener den Franzosen gern vorwerfen. Zu Recht sind Politik und öffentliche Meinung in Italien empört. Zwar entsandte Macron am Dienstag seinen Wirtschaftsminister Bruno Le Maire nach Rom, um einen Kompromiss auszuhandeln. Doch der Schaden ist angerichtet: Das alte Trauma der Italiener, von den Franzosen als arme Verwandtschaft behandelt und an den Rand gedrängt zu werden, schmerzt wieder sehr.

Dabei müsste Macron, wenn er Europa voranbringen will, größtes Interesse daran haben, Italien einzubinden und zu stärken, auch, damit dort nicht nationalistische Populisten die nächste Wahl gewinnen. Das Schwesterland gehört, nach dem Brexit, zu den drei wichtigsten Ländern der Europäischen Union. Es ist unklug, ja dumm, es zu brüskieren. Gewiss, das Bündnis aus Frankreich und Deutschland ist für die EU überlebenswichtig. Doch ohne Italien macht Europa - um ein Goethe-Wort abzuwandeln - kein Bild in der Seele.

© SZ vom 02.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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