Frankreich:Richter erwägen Ermittlungen gegen Chirac

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Zwölf Jahre lang war Chirac durch seinen Status als französischer Staatschef vor Ermittlungen wegen Korruption und Schein-Anstellungen geschützt. Nun endet seine Immunität. Einige Richter haben auf diesen Tag gewartet.

Gerd Kröncke

Die Schonzeit endet an diesem Samstag um Mitternacht. Einen Monat nach seinem Abschied vom Elysée unterliegt Jacques Chirac, 74, nicht mehr der Immunität. In Paris haben einige Richter auf diesen Tag gewartet. Es gibt ein paar Verfahren, seit langem anhängig, die auf ihre Erledigung warten.

Die Meldung der Satirezeitung Canard enchaîné, wonach die Richter Henri Pons und Jean-Marie d'Huy für den Wochenanfang schon eine Vorladung verschickt hätten, hat sich zwar nicht bestätigt. Aber Chirac erklärte, dass er zur Verfügung stehe.

Die Richter Pons und d'Huy ermitteln in der Affäre Clearstream. Dabei ging es um Korruptionsvorwürfe, die sich aber als haltlos entpuppten. Zu den Opfern gehörte Nicolas Sarkozy, dem Konten in Luxemburg angedichtet werden sollten. Er gehört zu den Zivilklägern in der Affäre.

Dominique de Villepin, der frühere Premierminister, ist bereits als Zeuge gehört worden. Er hatte den Geheimdienstgeneral Philippe Rondot mit Untersuchungen beauftragt, ohne seinen Kollegen Sarkozy zu warnen. Rondot hatte den Eindruck, dass Villepin im Auftrag Chiracs handelte.

Geschichte mit fiktiven Angestellten

Unklar ist die Haltung von Sarkozy, inzwischen Chiracs Nachfolger. Auf eine Vorladung Chiracs angesprochen, hatte Sarkozy während des Wahlkampfs geantwortet: "Kein Kommentar". Auf die Frage der Zeitung Figaro in dieser Woche, ob er Chirac nach dessen Ausscheiden einmal getroffen habe, war die Antwort noch knapper: "Nein."

Dann gibt es noch die Geschichte mit den fiktiven Angestellten im Rathaus von Paris in der Zeit, als Chirac Bürgermeister war. Mitarbeiter von Chiracs damaliger Partei RPR standen auf der Lohnliste im Rathaus, arbeiteten aber für die RPR. Alain Juppé, Chiracs Weggefährte, war sein engster Mitarbeiter im Rathaus und Generalsekretär der Partei.

Juppé war verstrickt in die Machenschaften. Am Ende wurde ihm eine einzige Schein-Anstellung nachgewiesen, die aber dem Gericht ausreichte, ihn im Dezember 2004 zu vierzehn Monaten Gefängnis mit Bewährung zu verurteilen.

Juppé hat Chirac immer gedeckt. Heute ist er Umweltminister unter einem neuen Präsidenten und zu Chirac fällt ihm ein: "Der Präsident hat einen besonderen Status, wenn er Präsident ist. Wenn er nicht mehr Präsident ist, dann ist er Citoyen (Bürger) wie alle anderen."

Verfahren um Bauaufträge

Ähnlich nüchtern hat sich Premier François Fillon geäußert: "Wenn der Präsident seine Funktion beendet hat, unterliegt er der Gerichtsbarkeit wie jeder andere."

Zwölf Jahre lang war Chirac durch seinen Status geschützt. 1999 hatte der Verfassungsrat für Recht erkannt, die strafrechtliche Verantwortung des Präsidenten könne nur vom Hohen Justizhof festgestellt werden, einem Gericht, das vom Parlament beschickt wird und das für Hochverrat zuständig ist.

Einen Richter, der trotzdem versuchte, den Präsidenten vorzuladen, hat Chirac ignoriert. Zuletzt wurde 2001 ein Teil eines Verfahrens um Bauaufträge im sozialen Wohnungsbau für nichtig erklärt, in das der frühere Bürgermeister Chirac verwickelt war.

© SZ vom 16.06.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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