Frankreich:Randalierer schießen auf die Polizei

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Präsident Chirac hatte zur Ruhe aufgerufen, Innenminister Sarkozy wieder Härte angekündigt. Trotzdem erlebte Frankreich die elfte Gewaltnacht in Folge. 1408 Autos gingen in Flammen auf. Zwei Polizisten wurden schwer verletzt, als Randalierer mit Schrotkugeln auf sie schossen.

In Grigny im Großraum Paris wurden bis Mitternacht mehr als dreißig Polizisten durch die Schrotkugeln verletzt. Zwei der Beamten erlitten schwere Verletzungen. Rund 200 Jugendliche hätten die Polizisten mit Steinen und anderen Gegenständen beworfen, einige hätten mit Schrotflinten geschossen, sagte ein Sprecher.

Die beiden Polizisten wurden in den Nacken und in die Beine getroffen, schweben aber nicht in Lebensgefahr. "Sie haben wirklich auf die Beamten geschossen. Das ist wirklich ernste Gewalt und nicht so wie in den Nächten zuvor", sagte ein Polizist.

In Savigny-sur-Orge ebenfalls im Großraum Paris wurde eine Schule in Brand gesteckt. Auch in Saint-Etienne ging eine Grundschule in Flammen auf. In einer Vorstadt der südfranzösischen Großstadt Toulouse kam es zu Zusammenstößten zwischen Jugendlichen und der Polizei. Die Jugendlichen warfen nach Polizeiangaben mit verschiedenen Objekten, woraufhin die Beamten ihrerseits Tränengas einsetzten.

In der elften Nacht in Folge setzten randalierende Jugendliche ihre Gewaltexzesse fort und zündeten bis mehr als 1400 Fahrzeuge an. Die Polizei nahm nach eigenen Angaben knapp 395 Menschen fest. Nach einem Treffen des Nationalen Rats zur Inneren Sicherheit am Abend in Paris hatte Staatspräsident Jacques Chirac einen harten Kurs gegen die Randalierer angekündigt.

In Trappes bei Versailles stand das Zentralfinanzamt in Flammen. Bei Saint-Etienne im Süden hatten Brandstifter acht Lastwagen auf einem Parkplatz angezündet. In den Städten Lille, Nantes, Orléans und Rennes setzten Jugendliche zahlreiche Autos in Brand.

Chirac: Wiederherstellung der Sicherheit hat Priorität

In Nizza brannten rund zwanzig Autos, in Lyon etwa fünfzehn. In Montceau-les-Mines im Departement Saône-et-Loire wurde eine Haushaltsgerätefabrik teilweise Opfer der Flammen.

Die "Priorität" seiner Regierung sei die "Wiederherstellung der Sicherheit und der öffentlichen Ordnung" in den Vorstädten, sagte der französische Präsident Jacques Chirac am Sonntagabend nach einer Sitzung des Rats für Innere Sicherheit in Paris.

"Jene, die Gewalt oder Angst sähen wollen, werden gefasst, verurteilt und bestraft", fügte Chirac hinzu, der zuvor kritisiert worden war, weil er sich trotz anhaltender Unruhen nur einmal zu dem Thema geäußert hatte.

Er verstehe, dass die Lage auch "den Respekt jedes Einzelnen, Gerechtigkeit und Chancengleichheit" gebiete. Seine Regierung sei entschlossen, auch auf diesem Weg weiterzugehen. Voraussetzung sein allerdings zuvor die Wiederherstellung der öffentlichen Ordnung.

Premierminister Dominique de Villepin kündigte danach an, die Sicherheitskräfte "dort, wo notwendig" aufzustocken, und Randalierer im Eilverfahren vor den Richter zu bringen. "Wir können keine rechtsfreien Zonen akzeptieren", sagte Villepin.

Zuvor hatte Villepin für die kommenden Tage "konkrete Vorschläge" angekündigt, wie die Regierung die Unruhen in den Griff bekommen will. Wie die "konkreten Vorschläge" Villepins aussehen sollten, wurde zunächst jedoch nicht bekannt.

Opposition: Sarkozy trägt Mitschuld

Sozialistenchef François Hollande warf dem konservativen Innenminister Nicolas Sarkozy am Sonntag vor, er trage durch seine "verbalen Provokationen" einen "großen Teil Mitverantwortung an der Eskalation".

Sarkozy hatte die Randalierer als "Schurken" und "Gesindel" bezeichnet. Nach einem Krisentreffen mehrerer Minister bei Premierminister Villepin am Samstag bekräftigte Sarkozy den harten Kurs: "Der Staat kann die Gewalt nicht akzeptieren".

In der Nacht zum Sonntag waren in Innenstadtbezirken nach Polizeiangaben 32 Autos in Brand gesetzt worden, landesweit waren es 1295 und damit nochmals mehr als in den vorangegangenen Krawallnächten. Auch im 17. Arrondissement im reichen Pariser Westen gingen zahlreiche Autos in Flammen auf.

Die Polizei nahm am Wochenende rund 500 Verdächtige fest. Nach Angaben des Justizministeriums wurden seit Beginn der Ausschreitungen 20 Beteiligte zu Haftstrafen ohne Bewährung von einer Dauer bis zu einem Jahr verurteilt.

Auslöser der Krawalle war der Tod zweier Jugendlicher in der Pariser Vorstadt Clichy-sous-Bois am Donnerstag vorvergangener Woche gewesen. Die Jungen hatten sich vor der Polizei in einem Transformatorenhäuschen versteckt und dort tödliche Stromschläge erlitten. Ihre Eltern riefen am Samstag zur Ruhe auf.

Fatwa gegen Randale

Eine der größten Islamischen Organisationen in Frankreich, die Union französischer Islamischer Organisationen (UOIF), wandte sich am Sonntag mit einer Fatwa, einem islamischen Rechtsspruch, gegen die Revolten. Viele der Randalierer stammen aus afrikanischen und arabischen Ländern und vermutlich auch aus moslemischen Familien.

Innenminister Nicolas Sarkozy hatte die Vermutung geäußert, dass militante Moslems die Jugendlichen aufhetzten. Viele Beobachter machen aber eher Diskriminierungen und die Perspektivlosigkeit in den Trabentenstädten für den Ausbruch der Gewalt verantwortlich als religiöse Hintergründe.

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