Frankreich nach den Wahlen:"Entscheidungen in den allernächsten Tagen"

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Nach der schweren Niederlage der bürgerlichen Rechten bei den Regionalwahlen hat Frankreichs Präsident Chirac Konsequenzen ankündigt. Premier Raffarin muss offenbar gehen.

Nach der deutlichen Niederlage der bürgerlichen Rechten bei den Regionalwahlen in Frankreich steht das Land vor einer umfassenden Regierungsumbildung. Präsident Jacques Chirac kündigte am Montag "Entscheidungen in den allernächsten Tagen an".

Es wird damit gerechnet, dass Premier Jean-Pierre Raffarin, mit dem sich Chirac zu einer Krisensitzung traf, sein Amt verliert. Als mögliche Nachfolger wurden bereits Innenminister Nicolas Sarkozy und Parlamentspräsident Jean-Louis Debré gehandelt. Bei den Wahlen am Sonntag hatten die französischen Linksparteien in fast allen der 26 Regionen gewonnen.

Der Vorsitzende der triumphierenden Sozialisten, François Hollande, sagte am Montag, die Franzosen hätten bei der Regionalwahl auch den Präsidenten abgestraft. Chirac habe Raffarin vor zwei Jahren zum Premierminister gemacht und er gebe die großen Linien der Politik vor. Der Sieg der Linken am Sonntag sei der größte seit dem Triumph von François Mitterrand bei der Präsidentschaftswahl 1981, erklärte Hollande im RTL-Radio.

Den am Montag vorliegenden Ergebnissen zufolge bekamen Sozialisten, Grüne und Kommunisten bei den Stichwahlen landesweit knapp mehr als 50 Prozent der Stimmen; sie stellen damit künftig in 23 der 26 Regionen die Regierung. Es ist das erste Mal seit der Präsidentschaftswahl 1988, dass es den Linken gelang, landesweit die absolute Mehrheit der Stimmen zu erringen.

"Haben Probleme mit dem Volk"

Die bürgerliche Rechte, die bislang 14Regionen des französischen Kernlandes regiert hat, fiel auf knapp 37 Prozent der Stimmen. Nur im Elsass bleiben Chiracs Regierungspartei UMP und die zentrumsdemokratische UDF an der Macht.

Die rechtsextreme Partei Front National von Jean-Marie Le Pen, die in 17 Regionen in die Stichwahlen eingezogen war, kam landesweit auf gut 12,5 Prozent. Auf Korsika zeichneten sich zunächst keine klaren Mehrheitsverhältnisse ab, auf Martinique wurden die Nationalisten an der Spitze der Region bestätigt.

Frankreichs Sozialminister François Fillon sagte am Montag, es liege an Chirac, die "neue politische Situation" zu berücksichtigen. Für die Regierungsparteien räumte er ein: "Wir haben ein Problem mit dem Volk."

Am Montagvormittag empfing Chirac Regierungschef Raffarin im Elysée-Palast zu einer Krisensitzung. Das Präsidialamt in Paris betonte zwar, dass an den "Entscheidungen", die Chirac gerade ausarbeite, auch Raffarin beteiligt sei. Dennoch hielten sich in Paris hartnäckig die Spekulationen, wonach Raffarin womöglich seinen Posten abgeben müsse.

Eine Regierungsumbildung dürfte bis zur nächsten Sitzung des Ministerrats am Mittwoch abgeschlossen sein, weil der Präsident am Donnerstag nach Russland reist. Als mögliche Nachfolger Raffarins wurden Innenminister Sarkozy, Parlamentspräsident Debré und Außenminister Dominique de Villepin genannt. Es wurde aber auch für möglich gehalten, dass Staatspräsident Chirac an seinem Premierminister weiter festhält und nur das Kabinett umbildet.

Die Wahl galt jedoch auch als wichtiger Stimmungstest für Chirac, dessen Popularität angesichts der dauerhaft hohen Arbeitslosigkeit und deutlicher Einschnitte im Gesundheitswesen auf den niedrigsten Stand seit seiner Wiederwahl 2002 gefallen ist. Raffarin selber hatte bereits unmittelbar nach der Wahl am Sonntagabend angekündigt, aus dem Desaster Lehren ziehen zu wollen. Soziale Gerechtigkeit und Beschäftigung müssten künftig im Mittelpunkt der Reformpolitik stehen. Für diese gebe es jedoch keine Alternative.

Der UMP-Vorsitzende und Chirac-Vertraute Alain Juppé sagte, die Wähler hätten ihre große Unzufriedenheit zum Ausdruck gebracht, jedoch nicht gegenüber einer Person. Parteisprecher François Baroin erklärte, die anstehenden Reformen, beispielsweise bei der Krankenversicherung, müssten den Franzosen besser vermittelt werden.

Auch Sarkozy sagte, die Pariser Mehrheit müsse "Konsequenzen" ziehen. Politische Beobachter in Frankreich bezweifelten ebenfalls, dass die Regierung ihre unpopulären Strukturreformen fortsetzen könne.

"Der Druck wird in den kommenden Wochen nur schwer zu ertragen sein", sagte Meinungsforscher Pierre Giacometti.

Die meisten Franzosen wünschen sich nach der herben Niederlage des Regierungslagers Raffarins Entlassung. Der seit Mai 2002 amtierende Premier solle gehen, sagten 54 Prozent der befragten Wähler dem Meinungsforschungsinstitut CSA. Nur 32 Prozent fanden, Raffarin solle bleiben.

© SZ vom 30.3.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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