Frankfurter Paulskirche:Ein Denkmal wird saniert

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Nach den Zerstörungen des Weltkrieges wurde die Paulskirche vereinfacht wieder aufgebaut - doch in der Nacht glänzt sie. (Foto: Frank Rumpenhorst/dpa)

Der einstige Tagungsort der Deutschen Nationalversammlung braucht ein neues Dach und ein paar gute Ideen. Dabei sollen nun die Bürger helfen.

Von Susanne Höll, Frankfurt

Die Frankfurter Paulskirche ist sehr ehrwürdig, eines der bedeutsamsten Denkmäler der wechselhaften deutschen Geschichte, eine renommierte Bühne für Preisverleihungen und - wenn man ehrlich ist - ein ansonsten oft trostloser Ort mitten in Frankfurt. Das soll bald anders werden, findet die gesamte Stadtspitze unter Führung von Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD). Wie der einstigen Kirche und Tagungsstätte der ersten deutschen Nationalversammlung Leben eingehaucht werden kann, in Zeiten, in denen nicht wenige wieder um den Fortbestand der Demokratie in Europa bangen, ist aber so unklar wie umstritten. Kein Wunder.

Die Frankfurter sind eine ebenso konfliktfreudige wie liberale Stadtgesellschaft, traditionsbewusst und heimatverbunden. Und weil für die dringend notwendige Sanierung des Gebäudes eher früher als später ein Plan gefunden werden muss, möglichst zusammen mit neuen Ideen zur Nutzung des Baus, sollen die Einwohner nun befragt werden, welchen Glanz sie sich am Paulsplatz wünschen.

Der Sozialdemokrat Feldmann redet gern mit seinen Mitmenschen. Deshalb hat er sie zu einem Bürgerdialog eingeladen. Nicht in die Paulskirche, was vielleicht eine gute Idee gewesen wäre, sondern ins Rathaus, den Römer, in den Kaisersaal. Dort wurden seinerzeit deutsche Herrscher gekrönt. Mehr als 200 Frankfurter sind auf Einladung Feldmanns gekommen zu der Veranstaltung, die als "Bürgerdialog" angekündigt war.

Ein Dokumentationszentrum soll entstehen. Was es zeigen wird, ist jedoch noch ungeklärt

Von größeren Dialogen jedoch kann nicht berichtet werden. Auch deshalb nicht, weil der als redselig bekannte Feldmann einen großen Teil der Dienstagabendstunden mit zwar interessanten, aber auch äußerst ausführlichen Stellungnahmen füllte. Aber das Publikum, eine bunte Mischung aus Kommunalpolitikern, Schülern, Künstlern, Gewerkschaftern, Honoratioren und ganz normalen Frankfurtern, nahm es ihm nicht sonderlich übel. "Ist doch schön, wenn man gefragt wird", sagt eine Dame gesetzteren Alters am Ende der Veranstaltung bei Häppchen und einem Glas Wein.

Etliche im Kaisersaal hatten sich noch nicht intensiv mit der Frage beschäftigt, wie es um die Paulskirche bestellt ist und was besser werden könne. Dabei wird die Zeit langsam knapp. Denn die schnöde Realität sieht so aus: Das Dach der Paulskirche muss alsbald erneuert, der Brandschutz dringend verbessert werden. Diese Nachricht löste 2018 eine Diskussion in der Stadt aus. Nostalgiker fanden, man solle die Paulskirche so rekonstruieren, wie sie 1848 zu Zeiten der Nationalversammlung im Stadtbild stand, mit altem Helmdach und Holzempore. Kommt gar nicht in Frage, argumentierten die Anhänger des schlichten Stils. Die Paulskirche war im Zweiten Weltkrieg zerstört und im Erschrecken über den NS-Wahnsinn in betont nüchtern-demokratischer Form neu aufgebaut worden.

Dabei wird es wohl bleiben, wie auch bei der Idee, die in die Jahre gekommene kleine Info-Zeile zur Geschichte des Baus zu ersetzen. Ein Dokumentationszentrum ist in der Diskussion, an einer Stelle nahe der Kirche, auf dem erstaunlich weiten und offenen Paulsplatz. Allein: Wie und was darin gezeigt werden soll, ist aber noch ungeklärt.

Und was wünschen sich die Bürger? Die jungen Leute im Kaisersaal des Römers ließen ihren Oberbürgermeister wissen, dass sie die Paulskirche außer als Kulisse für die üblichen offiziellen Empfänge gern als Treffpunkt eines noch zu gründenden Jugendparlaments genutzt sähen. Kommerzielle Veranstaltungen lehnte die große Mehrheit ab. Dass man in der Paulskirche künftig heiraten oder Bälle feiern darf, so wie in der anderen Wiege der deutschen Demokratie, dem Hambacher Schloss in Rheinland-Pfalz, fand nur eine ganz kleine Minderheit im Römer wünschenswert. Feldmann würde die Paulskirche gern zu einem Zentrum der Demokratie entwickeln. Ähnliche Ideen hegt offenkundig auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der Frankfurt für ein solches Projekt Hilfe aus Bundesmitteln signalisiert hat. Aber was soll das sein in Zeiten von AfD und rechtsnationalen Fantasien? Ein Museum, vielleicht mit digitalen Projekten für die Jugend? Ein Ort europäischer Freiheit? In Frankfurt sucht man noch nach Antworten, auch mit Hilfe des Bürgerdialogs, der fortgesetzt werden soll. Es geht, so viel steht fest, nicht nur um architektonische, sondern um bedeutsame politische Entscheidungen.

Einen ganz handfesten Rat gab die Frankfurter Hochschullehrerin und Konfliktforscherin Nicole Heitelhoff dem Oberbürgermeister auf seiner Suche nach Antworten mit. Mit Blick auf das gemischte, in Wahrheit aber doch recht homogene Publikum im Kaisersaal - alles Leute, die sich regelmäßig für städtische Dinge und das Zusammenleben am Main engagieren - empfahl sie, die Menschen anzusprechen, die sich nicht in den üblichen Zirkeln wie dem im Kaisersaal einfinden. Ihre Empfehlung: "Gehen Sie zum Mainuferfest, zur Eintracht Frankfurt und zu den Festivitäten in den Stadtteilen!"

© SZ vom 23.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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