Frank-Walter Steinmeier:Der Minister beißt zurück

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Die neuen Entführungen im Irak provozieren absurde Vorwürfe gegen die Medien.

Hans-Jürgen Jakobs

Manchmal bleibt unklar, wer die Medien zu wichtig nimmt: Sind sie es selbst oder jene, die immer wieder gerne in ihnen vorkommen, Politiker zum Beispiel? Für die führenden Vertreter der Parteien ist es einerseits wichtig, in Wort, Bild und Ton zu erscheinen, andererseits lassen sich über die Presse Themen befördern oder verhindern - je nachdem.

Die alte rot-grüne Bundesregierung hatte zu Recht den Eindruck, in den letzten Wochen ihres Wirkens habe es zwischen manchen Journalisten eine Art konzertierte Aktion gegeben, um eine schwarz-gelbe Koalition ins Amt zu befördern. Daraus wurde bekanntlich nichts, aber der damalige Kanzleramtsminister Frank-Walter Steinmeier hat offenbar ein paar Vorbehalte ins neue Amt als Bundesaußenminister mitgenommen.

Jedenfalls gibt er jetzt plakativ den Medien die Schuld an der prosperierenden "Entführungsindustrie" im Irak: 48 Stunden, nachdem Focus über einen angeblichen Fund von Lösegeld bei der freigelassenen Geisel Susanne Osthoff berichtete, wurden im Zweistrom-Land zwei ostdeutsche Ingenieure entführt. Auf die Frage, ob die Lösegeldzahlung in der Causa Osthoff die neue Geiselnahme befördert habe, antwortete Steinmeier: "Nicht die Lösegeldzahlung, sondern die Berichterstattung darüber."

Politiker müssen sich mit unbequemer Presse abfinden

Nun ist es auch an anderer Stelle aktenkundig geworden, wie leichtfertig Verantwortliche dieser Republik inzwischen über brisante Stoffe plaudern. Ein Minister aber sollte seine Worte besonders vorsichtig wählen. Wer wie Steinmeier solche Zusammenhänge konstruiert, überschätzt Wirksamkeit und Reichweite eines Magazins wie Focus grandios. Wenn tatsächlich für Frau Osthoff Geld geflossen war, konnten Entführer dies leichter aus Quellen im Land Irak erfahren.

Der Anwurf des Ministers wirkt wie das spontane Zurückbeißen eines Amtsträgers, dem Zeitungen, Zeitschriften und TV-Sender zuletzt zugesetzt haben - weil sie wissen wollten, was der BND im Irak treibt und ob deutsche Geheimdienstler tatsächlich zu Verhören nach Guantanamo oder Damaskus gereist sind. Solchen Informationen nachzugehen, ist die Pflicht von Medien. Das erwarten die Bürger, die gelernt haben, was der Artikel 5 des Grundgesetzes bedeutet: Pressefreiheit. Staatliche Gängelung ist nicht vorgesehen, und auch für Operationen in Krisenregionen gilt kein Maulkorb.

Redakteure müssen, im öffentlichen Interesse, Hinweise auf Zahlungen öffentlicher Gelder in Geiselfällen prüfen - unter den Grundbedingungen gewissenhafter Recherche. Das ist Teil der "vierten Gewalt". Sie wirkt auch gegenüber einer großen Koalition, die sich an den Umstand gewöhnt hat, dass es im Parlament nur eine kleine Opposition gibt. Angesichts des politischen Ganzheits-Anspruchs von Steinmeier und Kollegen wird die Kontrollfunktion der Medien noch wichtiger. Mit diesem Gedanken - und mit unbequemer Presse - müssen sich manche Minister vertraut machen.

© SZ vom 26.1.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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