Fragen und Antworten:Mit Überstunden in die Quarantäne

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Was müssen Reisende und Rückkehrer aus der Urlaubsregion Südtirol beachten?

Von SZ-Autoren, München/Berlin

Schutz statt Schal: Bundesligaspiele wurden wegen des Virus bislang noch nicht abgesagt, andere Großveranstaltungen schon. (Foto: Kai Pfaffenbach/Reuters)

Das Auswärtige Amt verschärft seine Reisehinweise für Italien. Es rät nun von nicht erforderlichen Reisen auch in die Regionen Südtirol, Emilia-Romagna und Lombardei ab. Zuvor galt dies nur für die lombardische Provinz Lodi sowie die Stadt Vo' in Venetien. Das Robert-Koch-Institut (RKI) hatte die Provinz Bozen/Südtirol am Donnerstagabend zum Coronavirus-Risikogebiet erklärt - diese ist bei deutschen Urlaubern ein beliebtes Wander- und Wintersportziel. Was bedeutet das für Reisende, aber auch für Daheimgebliebene, die mit ihnen in Kontakt stehen? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Welche Fälle sind bislang bekannt?

In Südtirol selbst gibt es bislang zwei bestätigte Coronavirus-Fälle. Die von der Regierung in Rom zuletzt angeordneten Quarantäne- und Hygienemaßnahmen wurden auch von der Bozener Landesregierung umgesetzt. Kindergärten, Schulen und Universitäten sollen - wie in ganz Italien - bis Mitte des Monats geschlossen bleiben. Allerdings betrifft ein nicht geringer Teil der Infektionen, die in Deutschland festgestellt wurden, Menschen, die in den vergangenen Wochen nach Südtirol gereist waren. Von den bis Freitagnachmittag bekannten 96 Infektionsfällen in Baden-Württemberg haben sich laut Sozialministerium etwa 40 Prozent in der autonomen Provinz aufgehalten. Die Landesregierung in Stuttgart rief am Donnerstag alle Reiserückkehrer aus Südtirol auf, vorläufig zu Hause zu bleiben. Dies gelte für jeden, der sich innerhalb der vergangenen 14 Tage in Südtirol aufgehalten habe.

Mit einem eigenen Buskonvoi mit deutschen Ärzten und Rettungsassistenten ließ die Stadt Osnabrück 55 Kinder aus einer Skifreizeit zurück nach Norddeutschland bringen. An einigen deutschen Schulen, zum Beispiel in München, wurden Kinder, die die Faschingsferien in Südtirol verbracht haben, mittlerweile vom Unterricht ausgeschlossen. Im niedersächsischen Hoya müssen 23 Zwölftklässler und drei Lehrer nach einer Skifreizeit in Südtirol zwei Wochen lang in häusliche Quarantäne.

Was ist unter dem Begriff "Risikogebiet" zu verstehen?

Laut Erklärung des RKI sind das Gebiete, in denen eine fortgesetzte Übertragung von Mensch zu Mensch vermutet werden kann. Das RKI benutzt verschiedene Indikatoren, um ein Risikogebiet zu identifizieren. Dazu zählen die Erkrankungshäufigkeit, die Entwicklung der täglich gemeldeten Fallzahlen, Maßnahmen, die in der Region ergriffen werden wie etwa die Quarantäne ganzer Städte oder Gebiete. Auch Fälle von Reisenden in solche Gebiete, bei denen die Infektion erst nach ihrer Heimkehr nachgewiesen wird, gehen in die Bewertung ein. "Die Situation wird jeden Tag neu bewertet, bei Bedarf werden die Risikogebiete angepasst", schreibt das RKI.

Welche Regionen sind aktuell als Risikogebiete geführt?

Auf der Webseite des RKI sind die Coronavirus-Risikogebiete stets aktuell gelistet. Momentan gehören dazu in China die Provinz Hubei und die Stadt Wuhan, in Iran die Provinz Ghom und die Hauptstadt Teheran, in Südkorea die Provinz Gyeongsangbuk-do (Nord-Gyeongsang) sowie in Italien die Provinz Bozen/Südtirol, die Regionen Emilia-Romagna und Lombardei und die Stadt Vo' in der Provinz Padua in der Region Venetien.

Warum wurde Südtirol jetzt als Risikogebiet eingestuft?

Laut RKI wurden aus den Bundesländern vermehrt Erkrankungen von Personen übermittelt, die sich vorher in der Region Südtirol/Bozen aufgehalten hatten. Aktuell meldet das Institut, dass von den 106 infizierten Menschen, die von Italienreisen berichtet hatten, mindestens 34 in Südtirol waren.

Was müssen Rückkehrer aus Risikogebieten beachten?

War jemand in einem Risikogebiet unterwegs, sollte er oder sie sich zunächst selbst beobachten. Spürt man in den folgendenden zwei Wochen Symptome wie Husten, Schnupfen oder Fieber, sollte man Kontakt zu anderen Menschen meiden, auf Hygiene beim Niesen und Husten achten und den Arzt oder das Gesundheitsamt anrufen, um weitere Schritte und einen möglichen Test zu besprechen. Nur nach telefonischer Voranmeldung (dabei Hinweis auf die Reise geben!) sollten Betroffene zum Arzt gehen. Auch Rückkehrer aus einem Risikogebiet, die (noch) keine Symptome spüren, sollten enge Kontakte zu anderen Menschen vermeiden, um diese zu schützen.

Gibt es amtliche Vorschriften und Empfehlungen für die Rückkehrer?

In Baden-Württemberg hat die Landesregierung Reiserückkehrer aus Südtirol aufgerufen, wegen des neuartigen Coronavirus generell vorläufig zu Hause zu bleiben. Das Kultusministerium gab dies als Regelung für "alle Personen an Schulen und Kindergärten" aus, die aus einem Risikogebiet zurückgekehrt sind. Sie müssen für 14 Tage, gezählt vom Zeitpunkt der Rückkehr an, vorsorglich zu Hause bleiben. Wer nur Kontakt mit Südtirol-Rückkehrern gehabt habe, dürfe jedoch weiter "uneingeschränkt" am Kita- und Schulbetrieb teilnehmen.

Auch das bayerische Kultusministerium fordert derzeit Schüler, die aus solchen Gebieten zurückkehren, generell dazu auf, dem Unterricht zunächst fernzubleiben. "Schülerinnen und Schülern, die innerhalb der letzten 14 Tage in einem Risikogebiet waren, wird angeraten, unabhängig von Symptomen unnötige Kontakte zu vermeiden und, sofern das möglich ist, zu Hause zu bleiben", so die amtliche Empfehlung. Die Regelungen seien "selbstredend auf neue Risikogebiete anzuwenden" - also auch auf Südtirol. Das bayerische Gesundheitsministerium empfahl am Freitagnachmittag explizit: Alle Kinder, die sich in den vergangenen zwei Wochen in Südtirol aufgehalten haben, sollten nächste Woche zu Hause bleiben.

Wer kümmert sich um das Kind, wenn sie nicht in die Schule oder die Kita gehen dürfen?

"Vorrangig müssen Eltern selbst für eine alternative Betreuung ihrer Kinder sorgen", sagt Anna Bauer, Fachanwältin für Arbeitsrecht. Sie empfiehlt: "Wie in all diesen Fällen sollten Arbeitnehmer unbedingt mit dem Arbeitgeber das Gespräch suchen und eine Lösung für die Situation vereinbaren, beispielsweise die Inanspruchnahme von Urlaub, Arbeit im Home-Office oder den Abbau von Überstunden".

Was bedeutet die Einstufung für bevorstehende Reisen? Können Urlauber Hotels und Ferienwohnungen stornieren und ihr Geld zurückbekommen?

Eine amtliche Reisewarnung des Auswärtigen Amts liegt für Südtirol weiterhin nicht vor, auch wenn dieses nun von nicht erforderlichen Reisen abrät. Allerdings, so der Reiserechtsexperte Paul Degott, sei "das Robert-Koch-Institut quasi das Auswärtige Amt für Epidemien". Für Menschen, die eine Pauschalreise in ein betroffenes Gebiet stornieren möchten und, um ihr Geld zurückzuerhalten, nach deutschem Recht "erhebliche Beeinträchtigungen" am Zielort nachweisen müssten, sei die Einstufung des RKI demnach ein "sehr starkes Indiz, in einem solchen Fall vergleichbar mit einer Reisewarnung".

Auch wenn sich das Auswärtige Amt nun den Einschätzungen des RKI angeschlossen hat, bedeute das jedoch noch kein automatisches Recht auf kostenlose Stornierung. Bei der Abwägung, ob man als Pauschalreisender eine solche einfordern könne, müsse man auch jetzt noch die konkret geplanten Reiseaktivitäten berücksichtigen - zum Beispiel den Unterschied zwischen einer Bergwanderung in einem einsamen Gebiet oder einem Skiurlaub in einem belebten Wintersportort. Wer wiederum auf eigene Faust mit Auto, Bus oder Bahn in eine selbstgebuchte Unterkunft reisen wollte und dies nun nicht mehr tun will, muss laut Degott darauf hoffen, dass die örtlichen Vertragspartner wie etwa Vermieter oder Skiliftbetreiber Kulanz zeigen oder nach italienischem Recht dazu verpflichtet sind.

© SZ vom 07.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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