Flugverbotszone:Berliner Geste

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Ein russisches Kampfflugzeug wirft über Syrien Bomben ab: Alles andere als ein "Nein" zu einer Flugverbotszone wäre aus Moskauer Sicht unlogisch. (Foto: Reuters)

Merkels Forderung nach einer Flugverbotszone stößt auf breite Ablehnung. Den Amerikanern ist die Sicherung zu aufwendig. Den Russen passt sie nicht ins Konzept. Nur die Türkei freut sich.

Von Stefan Braun

Flugverbotszone - das Wort hat es in sich. Angela Merkel wird das gewusst haben, als sie es in einem Interview mit der Stuttgarter Zeitung ins Spiel brachte. Das gilt zumal für ein Land wie Syrien, in dem die Zivilbevölkerung seit Jahren aus der Luft malträtiert wird. Das Regime von Baschar al-Assad bekämpft die oppositionellen Milizen seit mehr als fünf Jahren mit Luftangriffen, und das mit einem der grausamsten Mittel, so genannten Fassbomben. Sie zerstören voller Willkür, sie treffen rücksichtslos alle, sie sind zum Symbol für die Grausamkeit des Diktators geworden. Aus diesem Grund sind sie längst geächtet und durch eine Resolution des UN-Sicherheitsrats vom Herbst 2015 auch verboten. Allein: Bis heute hat sich das Assad-Regime nicht an das Verbot gehalten.

Aus diesem Grund hat die Bundeskanzlerin, als sie eine Flugverbotszone für Syrien in die Diskussion warf, massive Reaktionen ausgelöst. Die einen verbinden damit größte Hoffnung, das gilt zuallererst für die geschundenen syrischen Zivilisten. Andere verknüpfen mit einer solchen Zone das, was sie entweder unbedingt oder auf keinen Fall erreichen möchten. Deshalb kam aus der türkischen Hauptstadt sehr schnell Zustimmung - und aus Washington wie Moskau sofort Ablehnung.

Letztlich müssten die Amerikaner die Verbotszone überwachen, das ist Obama zu viel Arbeit

Die Türken dringen seit Langem auf eine noch umfassendere Schutzzone an der syrisch-türkischen Grenze. Dort wollen sie besonders bedrohte Flüchtlinge auf syrischem Boden sicher versorgen können. So jedenfalls lautet ihre Begründung. Das klingt gut und menschlich; es hat nur einen Haken: Bislang waren weder die Türken noch andere Staaten bereit, zum Schutz einer solchen Schutzzone Bodentruppen zu entsenden. Und nicht nur das: Bis heute plädiert Ankara genau dort für eine solche Zone, wo die Kurden die von ihnen beherrschten Gebiete noch nicht vereinen konnten. Deshalb vermuten Amerikaner und Europäer, dass eine solche Zone weniger den bedrohten Menschen, sondern vor allem Ankaras anti-kurdischen Zielen dienen solle. Dass die Türkei Merkel Zustimmung signalisierte, darf deshalb nicht verwundern. Ankara hat das Wort der Kanzlerin als Unterstützung gelesen.

In Washington dagegen wurde es als Aufforderung gewertet, Amerika möge sich militärisch stärker engagieren. Der Grund: Alle wissen, dass am Ende nur die Amerikaner eine Flugverbotszone durchsetzen könnten. Sie wären es, die die Hauptlast tragen müssten. Exakt so einen Großeinsatz aber lehnt US-Präsident Barack Obama nach wie vor strikt ab.

Russlands Nein hat die umgekehrte Ursache. Es engagiert sich massiv militärisch und profitiert dabei von der Washingtoner Zurückhaltung. Russische Flugzeuge nutzen seit Wochen quasi ungestört genau jenen Luftraum, der unter eine Verbotszone à la Merkel fallen würde. Dafür konnte es aus Moskaus Sicht kein Ja geben.

Und so stellt sich die Frage, warum Merkel die Idee überhaupt ventiliert hat. Wollte sie der Türkei, die sie zur Lösung der Flüchtlingskrise dringend braucht, einen Gefallen tun? Oder ist ihr schlicht eine Panne unterlaufen? Wer der Frage nachgeht, dem fällt auf, dass sie von Anfang an eigentlich eine Art "freiwillige Flugverbotszone" anvisierte. So sagte sie es im Interview; so wiederholte sie es am Mittwoch im Bundestag. Das ,freiwillige' daran ging in der reflexhaften Debatte schnell verloren. Nimmt man die Kanzlerin im Sinne einer Vollständigkeit also wörtlich, dann ergänzt ihre "Flugverbotsverständigung" nur das, was für Syrien zuletzt ohnehin vereinbart wurde: eine Waffenruhe, humanitäre Zugänge, Schutz für Zivilisten. So passt alles wieder zusammen.

© SZ vom 19.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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