Flüchtlingskosten:Kein Wille, ein Weg

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Bund und Länder haben sich wieder einmal nicht einigen können, wie die Kosten der Integration verteilt werden sollen. Das Gute daran: Es wird umso offensichtlicher, dass die gesamten Finanzbeziehungen neu geregelt werden müssen.

Von Cerstin Gammelin

Im Streit um die Verteilung der Flüchtlingskosten haben Bundesregierung und Ministerpräsidenten erkennbar Stammtischniveau erreicht. Wer die Flüchtlinge ins Land geholt habe, müsse auch dafür zahlen, sie zu integrieren, argumentieren die Länderchefs und halten beide Hände weit auf. Der Bund wiederum rechnet sich seine Ausgaben für Flüchtlinge mit Bundeswehreinsätzen in Afghanistan und anderswo künstlich so hoch, dass er plötzlich ohnehin schon das Gros der Kosten trägt und den Ländern nichts mehr geben muss. Das eine Argument ist so hanebüchen wie das andere, amüsant ist das Gezerre trotzdem nicht.

Die Bundesrepublik ist föderal organisiert. Bei vielen Angelegenheiten zwischen Bund und Ländern ist deutlich geregelt, wer sich ihrer anzunehmen hat. Die Versorgung von Flüchtlingen ist den Ländern zugeordnet. Und zwar unabhängig davon, warum Migranten überhaupt im Land sind.

Das Verursacherprinzip einführen zu wollen, ist realitätsfern und absurd. Man stelle sich dieses Prinzip einen Moment beim Elterngeld vor. Um potenziellen Eltern die Entscheidung für Kinder zu erleichtern, zahlt der Bund Elterngeld. Er ist damit in gewisser Weise dafür verantwortlich, dass mehr Kinder in Deutschland aufgezogen werden müssen, dass es Kindergärten und Schulen braucht. Für Bildung allerdings sind die Länder zuständig. Die sich keineswegs darüber beschweren, wenn es mehr Kinder gibt.

Das Beispiel ist zugespitzt formuliert, zeigt aber deutlich, dass es sich bei der Kindererziehung wie bei der Integration um eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe handelt. Bund und Länder stehen vor der Aufgabe, die Menschen, die in Deutschland Schutz gesucht haben und die bleiben dürfen, in die Gesellschaft zu integrieren und damit den sozialen Frieden im Land zu wahren. Es ist eine gewaltige Herausforderung, die viele Milliarden Euro kosten wird.

Liegt es also an der Höhe der Kosten, dass die Regierungschefs in Bund und Ländern mit so absurden Argumenten darum ringen? Nein. Bund und Länder haben dank steigender Beschäftigung und guter Konjunktur so viel Geld zur Verfügung wie seit Jahren nicht mehr. Nicht nur der Bund verzeichnet rekordverdächtige Steuereinnahmen, auch die Länder profitieren davon. Es ist ausreichend Geld vorhanden, um die Flüchtlinge zu integrieren.

Der Streit darum, wer was zu zahlen hat, ist nur Indiz eines viel größeren Problems

Woran es fehlt, ist politischer Wille. Der vordergründige Streit um die Flüchtlingskosten ist nur ein Bestandteil des viel grundsätzlicheren um die Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen. Im Grundgesetz ist festgeschrieben, dass ärmere und reichere Länder sich finanziell so weit aushelfen, dass die Lebensbedingungen bundesweit ähnlich sind. Bund und Länder sitzen in so zähen Verhandlungen fest, dass der Bund sie lieber vertagt und die Flüchtlingsdebatte separat gelöst hätte.

Genau diese Methode aber, erst an einem Rädchen zu drehen und dann an dem anderen, hat schon viel zu oft Lösungen produziert, die am Ende keinem geholfen haben. Insofern hat die aktuelle Stammtischdebatte um die Flüchtlingskosten zumindest den Vorteil, dass sich Bund und Länder gegenseitig nicht aus der Verantwortung entlassen, das große Ganze anzugehen.

© SZ vom 18.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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