Fischer zur NRW-Landtagswahl:"Das Ding kann noch gedreht werden"

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Es herrscht Optimismus bei Grünen und der SPD, dass es doch zu einem Wahlsieg an Rhein und Ruhr reicht. Die Rechnung funktioniert aber nur mit einer großen Unbekannten: Zwischen 20 und 42 Prozent der Wähler sind völlig unentschlossen.

Die Uhr tickt in Nordrhein-Westfalen: Wenn es den seit 39 Jahren regierenden Sozialdemokraten nicht gelingt, ihre enttäuschten Wähler doch noch zu mobilisieren, dann stehen die Zeichen so deutlich wie lange nicht auf einen Regierungswechsel.

Wo machen sie ihr Kreuzchen? Immerhin 20 bis 42 Prozent der Wahlberechtigten in NRW waren bis zum Schluss unentschlossen. (Foto: Foto: dpa)

Das jedenfalls besagen alle Meinungsumfragen der vergangenen Monate für die wichtigste Wahl des Jahres.

Zum offiziellen Wahlkampfabschluss boten vor allem die Sozialdemokraten noch einmal alles auf, was ihnen an Parteiprominenz helfen könnte: Bundeskanzler Gerhard Schröder, Parteichef Franz Müntefering und sogar der spanische Ministerpräsident José Luis Rodriguez Zapatero waren in Dortmund, um Ministerpräsident Peer Steinbrück in der traditionellen "Herzkammer der Sozialdemokratie" zu unterstützen.

Heisere Empfhelungen für Steinbrück

Mit heiserer Stimme empfahl Schröder den mehr als 1000 Parteianhängern Steinbrück als Ministerpräsident, der "Kompetenz, Reife und Erfahrung" mitbringe. Zapatero bezeichnete den Amtsverteidiger als "Mann, der nicht klein beigibt. Er macht an der Aufgabe weiter, an der schon andere gearbeitet haben." Und der Spanier unterstrich die europäische Dimension der Wahl. "Millionen in Europa schauen auf Euch."

Siegesgewiss stellte die CDU ihre Abschluss-Kundgebung mit Parteichefin Angela Merkel unter das Motto "Noch 48 Stunden bis zum Wechsel". In den jüngsten Umfragen lagen CDU und FDP immer mit mindestens sechs Prozentpunkten Vorsprung vor Rot-Grün.

Dennoch warnte CDU-Spitzenkandidat Jürgen Rüttgers vor Euphorie. "Es gibt einen Punkt, vor dem ich noch Angst habe: Dass zu viele Leute denken, der Wechsel ist schon geschafft", bekannte er vor mehreren Tausend Zuhörern in Düsseldorf.

Merkel nahm vor allem die Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik der rot-grünen Regierung ins Visier. Über eine Million Arbeitslose und ein Schuldenberg von 110 Milliarden Euro seien der Beweis, dass die SPD ihre Chance in NRW 39 Jahre nicht genutzt habe. "Den Sozialdemokraten fehlt der Mut zur Zukunft", sagte sie. "Der Wechsel muss kommen." Sowohl die Kundgebung der CDU als auch die der SPD wurde immer wieder von Pfeifkonzerten begleitet.

Eine große Unbekannte für alle Wettbewerber stellen die noch unentschlossenen Wähler dar. Nach Erhebungen der Wahlforscher wissen 20 bis 42 Prozent der 13,3 Millionen Wahlberechtigten immer noch nicht, ob und wen sie heute wählen. Einig sind sich die Experten, dass in dieser Gruppe vor allem enttäuschtes sozialdemokratisches Wählerpotenzial schlummert.

Zitterpartie

Eine Zitterpartie für die CDU bleibt das ungewisse Abschneiden ihres potenziellen Koalitionspartners. Zwar lag die FDP in den Meinungsumfragen meist stabil bei 7 bis 8 Prozent. Allerdings hatte sie in den vergangenen Wochen mit Negativ-Schlagzeilen zu kämpfen. Dabei ging es um üppige Bezüge ihres Spitzenkandidaten Ingo Wolf und um ein Plädoyer für einen Kindermörder, mit dem der Landtagsabgeordnete Joachim Schultz-Tornau derzeit für Aufsehen sorgt. Einige blicken deswegen mit Furcht auf die Fünf-Prozent-Hürde.

FDP-Chef Guido Westerwelle sollte in der bergischen Provinz Wermelskirchen noch einmal für Schubkraft sorgen. Er warf SPD und Grünen vor, die Zeit mit "ideologischen Lieblingsprogrammen" vertan zu haben statt die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Steinbrück bekannte sich erneut zum Erhalt der heimischen Steinkohle. Unter einer SPD-geführten Regierung werde keinem Bergmann betriebsbedingt gekündigt werden, unterstrich er.

Alle Spitzenpolitiker appellierten eindringlich an die Wähler, am Sonntag mitzuentscheiden. "Das Ding kann noch gedreht werden", rief Außenminister Joschka Fischer in Düsseldorf seinen Grünen-Parteifreunden zu. "Wir müssen bis zur letzten Minute die Mobilisierung unentschlossener Wähler betreiben."

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