Fischer bei Einweihungsfeier:"Konfrontation mit dem dunkelsten Kapitel unserer Geschichte"

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Staatsmänner aus über 40 Ländern haben Seite an Seite mit Holocaust-Überlebenden die Eröffnung des neuen Museums in Yad Vaschem gefeiert. Außenminister Fischer war einer der Ehrengäste und sprach von einem "bewegenden Tag".

"Nach 60 Jahren ist die Welt ein wenig aufgewacht." Mit diesen Worten eröffnete der Auschwitz-Überlebende Naphtali Lavie am Dienstag das neue Holocaust-Museum in Jerusalem.

Für Außenminister Joschka Fischer ist das neue Holocaust-Museum "eine Konfrontation mit dem dunkelsten Kapitel unserer Geschichte". (Foto: Foto: Reuters)

Bei eisiger Kälte und zum durchdringenden Ton eines Widderhorns durchschnitt Israels Präsident Mosche Katsav ein blau-weißes Band und führte die Ehrengäste, unter ihnen Bundesaußenminister Joschka Fischer und UN-Generalsekretär Kofi Annan, durch die Anlage. Eingeladen waren auch Überlebende des Holocaust.

Für die Deutschen sei die Erinnerung an die Schoah (Judenvernichtung) "eine Konfrontation mit dem dunkelsten Kapitel unserer Geschichte", hatte Fischer zuvor nach einem Treffen mit seinem israelischen Amtskollegen Silwan Schalom erklärt. "Dies ist ein bewegender Tag."

Katsav: Europa muss Last der Erinnerung tragen

Kofi Annan sagte bei der Einweihung, wenn die Vereinten Nationen nicht an vorderster Front gegen Antisemitismus und andere Formen des Rassismus kämpften, würden sie ihre Geschichte verleugnen: "Unsere dringendste Aufgabe ist sicherzustellen, dass ein solcher Horror niemals und nirgendwo wieder passiert."

Präsident Katsav rief den Gästen zu: "Die heutige Zusammenkunft ist eine Verpflichtung von Ihnen, den Führern der Welt, unsere moralischen Werte und die Werte der menschlichen Rasse zu hüten." Katsav rief die Staaten in Europa auf, einen neuen Antisemitismus zu bekämpfen.

"Wir sind über die Leugnung des Holocausts und Judenfeindlichkeit in Europa besorgt", sagte er auf dem Vorplatz des Museumsneubaus. Europa müsse die Last der Erinnerung tragen und die Lektion aus der Vergangenheit lernen, um die Zukunft gestalten zu können. "Dies ist es den Millionen Juden, die auf seinem Boden ermordet wurden, schuldig."

Schalom: Neue Atmosphäre

Ministerpräsident Ariel Scharon erklärte bei der Zeremonie auf dem Jerusalemer Berg der Erinnerung, Israel sei der einzige Staat auf der Erde, in dem Juden das Recht und die Macht hätten, sich selbst zu schützen. "Das ist die einzige Garantie dafür, dass sich der Holocaust nicht wiederholt."

Außenminister Schalom betonte die besondere Rolle Fischers als Freund Israels und Vertreter Deutschlands bei den Eröffnungsfeiern. Fischer sprach von einem "besonderen Tag" und bekräftigte die moralische Verantwortung Deutschlands für den Holocaust.

Er äußerte sich zugleich optimistisch über die Chancen einer Wiederbelebung des Nahost-Friedensprozesses. "Es herrscht eine neue Atmosphäre", sagte er nach dem Gespräch mit Schalom.

Holocaust-Überlebende zeigt Verständnis für junge Deutsche

Beide Seiten müssten sich nun um eine rasche Rückkehr an den Verhandlungstisch bemühen. An dem Existenzrecht Israels sei nicht zu rütteln. Am Vormittag hatte Fischer Israels Vize-Ministerpräsident Schimon Peres und Oppositionspolitiker getroffen.

Der Nobelpreisträger und Holocaust-Überlebende Elie Wiesel äußerte am Dienstag Verständnis für die Schwierigkeiten junger Deutscher in der Auseinandersetzung mit der dunklen Geschichte. Sie seien nicht verantwortlich für den Holocaust, wohl aber für das Gedenken daran.

Das Museum auf dem Gelände der Jad Yaschem-Gedenkstätte wurde nach über zehnjähriger Planungs- und Bauzeit rechtzeitig zum 60. Jahrestag des Kriegsendes fertiggestellt.

Strenge Sicherheitsmaßnahmen

Es ist vier Mal größer als das bisherige Museum und will mit modernster Museumstechnik, gefilmten Erinnerungen von Überlebenden und Original-Ausstellungsstücken nicht nur den Verstand, sondern auch die Gefühle der Besucher erreichen.

Zur Eröffnung am Abend waren etwa 2000 internationale Gäste geladen. Nach Angaben des israelischen Außenministeriums waren zuletzt beim Begräbnis des vor über neun Jahren ermordeten Ministerpräsidenten Izchak Rabin so viele ausländische Gäste in Israel.

In Jerusalem herrschten außergewöhnlich strenge Sicherheitsmaßnahmen. Auf den Dächern waren Scharfschützen postiert, an allen Straßenkreuzungen im Stadtzentrum wachten Sicherheitskräfte.

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