Fidel Castro wird 80:"Natürlich werde ich auch nach meinem Ableben ein Mythos bleiben"

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Die Ära des kubanischen Diktators neigt sich dem Ende zu. Schon zu Lebzeiten hat er an seiner Legende gebastelt. Von seinem Tod würde sie nur profitieren.

Bernd Oswald

Der Informationsfluss über den Gesundheitszustand des "Maximo Lider" ist minimal. Kaum jemand kann Genaues darüber sagen, wie es Fidel Castro geht - und die, die es können, tun es nicht. Offene Informationspolitik war eben noch nie Kubas Stärke.

Stark mag Fidel Castro in diesen Tagen nicht mehr sein, körperlich gesehen. Und auch seine politische Macht wird schwinden, je länger er ein belastbares Bulletin zurückhält, je länger er den Regierungsgeschäften fernbleibt. Und das ausgerechnet zu seinem 80. Geburtstag am heutigen Sonntag. Stark ist hingegen das Image, das Castro rund um die Welt genießt, wenn auch in ganz unterschiedlichen Schattierungen.

In seinem Land ist er noch immer die Führungspersönlichkeit schlechthin, der "Comandante en jefe de la Revolucion Cubana". Oder einfach nur der Comandante. Auch wenn sich auf der Insel Unmut regt über das repressive Regime: Castro ist eine Selbstverständlichkeit. Weil er seit mehr als 47 Jahren regiert, kennen nur wenige Einwohner ein Kuba ohne Castro. In nicht wenigen Fällen mag das dazu geführt haben, dass die Kubaner unpolitisch geworden sind.

Mehr als 6000 Stunden am Rednerpult

Eine Alternative gibt es nicht. Andersdenken ist nicht erlaubt und der Zugang zu Informationen über den Rest der Welt massiv eingeschränkt. Es gibt nur die staatlich kontrollierten Medien und jede Menge Sozialismus zum Anfassen - vor allem dann wenn Castro vor Zehntausenden seine stundenlangen Ansprachen hält. Mehr als 6000 Stunden soll der Diktator seit der Machtergreifung im Januar 1959 öffentlich geredet haben.

Egal ob vermittelt oder live: Castro präsentiert sich als Fels in der Brandung, als unermüdlicher und unbezwingbarer Antipode des amerikanischen Erzfeindes. Der die US-Invasion in der Schweinbucht zurückgeschlagen hat. Der als vorderste Militärbasis der Sowjetunion im Kalten Krieg diente (und so seinen Anteil am Beinahe-Atomkriegs-Thriller hatte). Der amerikanische Unternehmen enteignete. Der jahrzehntelang dem Wirtschaftsembargo der USA widerstanden hat. Der den Flüchtlingsjungen Elian Gonzalez zurück nach Kuba holte. Immer gegen einen scheinbar übermächtigen Gegner. Als David gegen Goliath. Für all das gibt es eine einfache Währung: Die Zahl der US-Präsidenten, die Castro im Amt überlebt hat. Neun sind es inzwischen. George W. Bush ist der zehnte Mann im Weißen Haus, der Castro aus dem Weg schaffen will.

Eigenbeitrag zur Legendenbildung

Fidel definiert sich und sein Lebenswerk über seine lebenslange Opposition zu den USA: "Es sind die Regierungen der Vereinigten Staaten, die mich zu dem gemacht haben, was du Mythos nennst", sagte er vor ein paar Jahren der Parteizeitung Granma. "Wenn ich es nun bei Lebzeiten geworden bin, so auch dank des Scheiterns ihrer unzähligen Versuche, meinem Leben ein Ende zu setzen. Natürlich werde ich es auch nach meinem Ableben bleiben."

Die überlebten Attentatsversuche sind die zweite Widerstands-Währung Castros. Er selbst spricht von mehr als 600 (tatsächlich waren es um die 30) - und füttert so den sozialistischen Propaganda-Apparat. Personenkult hat er dann gar nicht mehr nötig. Natürlich ist Castro in seinem Land allgegenwärtig, sein Konterfei prangt auf Plakaten, Hauswänden und Briefmarken. Doch der oberste Revolutionär sagt, dass es auf seiner Insel keine Straße und kein Gebäude gebe, das nach ihm benannt sei, von einer Statue ganz zu schweigen.

Credo als Markenzeichen

Personenkult gibt es in Kuba eher um Che Guevara. Die Aufnahme, die der Fotograf Alberto "Korda" Gutierrez in den frühen Sechzigern von ihm machte, ist eine der berühmtesten Ikonen des Planeten und auch außerhalb Kubas millionenfach reproduziert, vermarktet und verkauft, zumeist garniert mit der ewigen Revolutionsparole "Hasta la victoria siempre". Auf dem Devotionalien-Markt hat die Revolution noch immer Konjunktur. Auch Castros vor Pathos triefendes Credo "Socialismo o muerte, partria o muerte. Venceremos!" (Sozialismus oder Tod, Vaterland oder Tod. Wir werden siegen!), mit dem er jede seiner Reden beschließt, ist zum Markenzeichen geworden.

Diese Parolen haben Eingang in den Sprachschatz westlicher Jugendlicher gefunden, die diese Floskel cool finden. Sie werden auch von Linken auf der ganzen Welt hochgehalten, die sich so an der "guten alten Revolutionszeit" wärmen, als Castro, Guevara, Cienfuegos und Co. den amerikafreundlichen Diktator Batista stürzten und für ihre Ideale von einem gerechteren, gleicheren und sozialeren Kuba kämpften. Auch dieser verklärende Revolutions-Romantizismus hat noch Konjunktur.

Das gilt vor allem für Guerillero Guevara, der aufgrund seines mysteriösen Ablebens in jungen Jahren im bolivianischen Dschungel der perfekte Märtyrer ist. Castro nutzt alle Gelegenheiten, sich im Ruhm seines berühmten Mitstreiters zu sonnen, zum Beispiel bei der pompösen Rückführung der Guevara-Gebeine nach Kuba. Das politische Erbe des Vorzeigerevolutionärs beansprucht Fidel ohnehin. Seine eigene Legende rankt sich um die der Widerstands-Ikone.

Wenn Castro früher oder später stirbt, wird die Legende Castro noch wachsen. Dann werden die Erinnerungen an die gemeinsamen Kämpfe mit Guevara wiederbelebt, die jahrzehntelange Standhaftigkeit gegen die USA wird gepriesen werden. Vor allem wird Fidel dann keine Gelegenheit mehr haben, sein Lebenswerk zu besudeln.

Schon jetzt hat es Castro trotz aller Unterdrückung geschafft, sich auch jenseits sozialistischer Kreise Respekt zu verschaffen. Vor vier Jahren widmete US-Starregisseur Oliver Stone ihm einen Dokumentarfilm. Allein dass Stone den Titel "Comandante" gewählt hat, und so die kubanische Nomenklatur übernimmt, zeigt, dass er Castro respektiert. In den 99 Minuten menschelt es gewaltig, und Stone musste sich den Vorwurf gefallen lassen, dem Comandante die wirklich unbequemen Fragen erspart zu haben.

"Ein Revolutionär geht nie in Pension"

Aus diesem Film stammt auch Castros Zitat: "Eine der größten Errungenschaften unserer Revolution ist, dass selbst unsere Prostituierten Akademiker sind." Eine etwas eigenwillige Art, auf den Stand der Volksbildung zu verweisen, aber in der Tat ist das kubanische Bildungssystem international angesehen. Anfang September wird ein kubanisches Pädagogik-Institut, mit dessen Methoden in 15 Ländern gelehrt wird, mit dem Unesco-Alphabetisierungspreis ausgezeichnet.

Ähnlich Gutes lässt sich über das Gesundheitswesen in Kuba sagen, das für Einheimische nicht nur kostenlos ist, sondern über ausgesprochen viele gut ausgebildete Ärzte verfügt. Die Lebenserwartung liegt auf dem Niveau von wohlhabenden Industriestaaten. Wegen des hohen Standards der Krankenhäuser und Ärzte hat sich sogar ein Gesundheitstourismus entwickelt, der Devisen auf die Insel bringt.

Nun ist der greise Diktator der prominenteste Intensiv-Patient des Landes. Im Krankenhaus wird sich entscheiden, was aus einem berühmten Castro-Satz wird: "Ein Revolutionär geht nie in Pension."

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