Festakt zum Tag der Einheit:Köhler fordert Erneuerung Deutschlands

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Die vier wichtigsten Schritte aus der Krise seien die Schaffung neuer Arbeitsplätze, die Reform des Bildungssystems, der Abbau der Bürokratie und eine neue Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern, sagte Bundespräsident Horst Köhler beim Festakt zum Tag der Einheit in Erfurt.

Von Jens Schneider

Erfurt - Bundespräsident Horst Köhler hat beim Festakt zum Tag der Einheit in Erfurt eine Fortsetzung der Reformen und eine grundlegende Erneuerung der Bundesrepublik angemahnt.

Dabei bezog er sich am Sonntag explizit nicht allein auf Ostdeutschland, sondern auf ganz Deutschland. "Seit langer Zeit läuft einiges schief", sagte der Bundespräsident.

Als die vier wichtigsten Schritte aus der Krise nannte er die Schaffung von Arbeitsplätzen, den Aufbau eines Bildungswesens von Weltrang, einen radikalen und nachhaltigen Abbau der Bürokratie sowie die Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung.

Entrostung des Staatsapparates

"Der Staatsapparat gehört entrostet, umgebaut und in Schwung gebracht", sagte Köhler. Auf dem Festakt sprachen auch der Bundesratspräsident, Thüringens Regierungschef Dieter Althaus, und der Schriftsteller Reiner Kunze. Unter den Gästen waren Kanzler Gerhard Schröder und Bundestagspräsident Wolfgang Thierse.

In seiner Rede bezeichnete Köhler die Arbeit der Föderalismus-Kommission als enorm wichtig für die Reform der bundesstaatlichen Ordnung. Sie müsse zu Reformen führen, die diesen Namen auch verdienten und Blockaden beenden.

Die Gesetzgebung dürfe "kein Malefizspiel mehr sein". Die Bürger müssten wissen, wer in der Politik wofür verantwortlich sei. Der Bundespräsident zeigte sich zugleich zuversichtlich, dass die Deutschen die Herausforderungen bewältigen werden.

"Ich bin überzeugt: Wir werden und können diesen Berg überwinden", sagte Köhler. Deutschland komme "ja auch in Bewegung", das Land dürfe nur nicht "schon wieder stehen bleiben".

Dazu müssten aber alle Entscheidungen der Politik besser erklärt werden, mahnte er eine sorgfältige Vermittlung von Reformschritten an. Das Land brauche Veränderungen, die stetig und stimmig seien.

Köhler betonte nachdrücklich, dass sich dies nicht auf Ostdeutschland beschränke. Schon die alte Bundesrepublik habe bis 1989 viele nötige Reformen verschlafen.

Das westdeutsche Regelwerk sei zu stark von Selbstzufriedenheit, überzogenem Anspruchsdenken und einem alles durchdringenden Regulierungseifer geprägt gewesen.

An dieser Last trage ganz Deutschland bis heute, sagte Köhler. Die Aufgaben des Staates müssten neu bestimmt werden. Zur Zeit übernehme dieser mehr Aufgaben, als das Land sich leisten könne.

Mit den Worten "Der Staat soll nicht alles Mögliche, sondern alles Nötige tun" forderte Köhler dazu auf, den Menschen mehr Eigenverantwortung zu geben. Gerade innovativen Unternehmern schnüre ein Übermaß an Auflagen die Luft ab.

"Radikaler Abbau von Vorschriften in Ostdeutschland"

Der Bundespräsident schlug vor, dass zumindest den neuen Ländern zunächst ein radikaler Abbau von Vorschriften erlaubt werden solle, wenn dies nicht im ganzen Land möglich sei.

Er sei sich sicher, dass die anderen Ländern dann rasch nachkämen. Köhler betonte, dass es eine weitere Förderung für den Aufbau Ost geben müsse. Es sei aber gut, dass jetzt auch geprüft werde, wie künftig wirksamer gefördert werden könne. Denn das Geld sei für Investitionen da, jedoch nicht für Konsum und Verwaltung.

Das Staatsoberhaupt zeigte sich zudem besorgt über das Erstarken extremistischer Tendenzen. "Es hilft nur eines", sagte Köhler: "Alle Demokraten müssen um die Verdrossenen werben und den Böswilligen entschlossen entgegentreten."

© SZ vom 4. Oktober 2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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