Fernsehen:Die Eierkuchen-Kompetenz

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Beim ZDF-Alltagstest für Politiker zeigt sich nur, dass so ein Alltagstest weder politisch noch alltäglich ist.

Von Marcus Jauer

Zuerst denkt man: Der Alltagstest für Politiker - was soll das eigentlich sein?

Mag keine chaotischen Kinderzimmer - Jürgen Rüttgers, der CDU-Kandidat für die NRW-Landtagswahl. (Foto: Foto: dpa)

Bisher hatte man immer angenommen, der Alltagstest für Politiker findet im Parlament statt, und wenn sie den nicht bestehen, werden sie abgewählt und gut.

Diesen Alltag meint das ZDF nicht. Es meint den von Menschen, die keine Politiker sind, sondern beispielsweise allein erziehende Mutter, ehrenamtliche Helferin bei der Armenspeisung oder Chefin einer Agentur. In diese Leben hat das ZDF drei Tage lang drei Politiker gesteckt und beobachtet, wie sie darin klarkommen.

Da denkt man dann: Schön, dass Politiker auch für sowas mal Zeit haben. Jürgen Rüttgers, der für die CDU Ende Mai in Nordrhein-Westfalen Ministerpräsident werden möchte, fand sich in einem Reihenhaus in Essen wieder. Es gehört einer Frau, die fünf Kinder hat und dazu einen Job als Lehrerin, und um beides sollte sich Rüttgers nun kümmern.

Anderthalbe Jahre Arbeit

Ute Vogt, die für die SPD in Baden-Württemberg auch irgendwann Ministerpräsidentin werden möchte, zurzeit aber als Staatssekretärin im Innenministerium sitzt, wurde in HartzIV-Terrain geschickt. Sie sammelte für die "Berliner Tafel" Lebensmittel, bevor sie den kleinen Sohn ihrer Tauschpartnerin wickeln sollte. Sie selbst hat keine Kinder.

Antje Hermenau, die wohl nie Ministerpräsidentin in Sachsen werden wird, zumindest nicht mit den Grünen, wurde, weil sie aus dem Osten kommt, in ein Loft nach Hamburg versetzt. Es gehört der Chefin einer Agentur für Kindermodels und einem Musikproduzenten.

Das ZDF arbeitet seit anderthalb Jahren an dem Projekt. Es hat mehrere Politiker angefragt, auch höherrangige. Letztlich blieben dann diese übrig.

Krampfhafter Aufwertungsversuch

Bettina Schausten, die beim ZDF die Innenpolitik leitet und deren Ressort die Serie verantwortet, sagt: "Wir wollten herausfinden, ob die Politiker noch wissen, wie sich das, was sie entscheiden, auf das Leben der Wähler auswirkt."

So klingt der Versuch, das Format als politisch aufzuwerten. Dabei ist die Vorstellung absurd, es werde in den drei Tagen, deren Nächte die Politiker dazu noch im Hotel verbringen, ein Alltag aufkommen. Meinte das ZDF das ernst, hätte es Rüttgers, Vogt und Hermenau ein Jahr in fremden Leben begleiten müssen, was an sie wohl die Frage gerichtet hätte, ob sie eventuell unterbeschäftigt sind.

Der Versuch, dem Format nachzuweisen, dass es nicht politisch ist, führt auch zu nichts. Natürlich ist es das nicht. Die Vorstellung, man würde Herrn Rüttgers, kurz vor der Landtagswahl für den besseren Kandidaten halten, nur weil er zeigen darf, dass er Eierkuchen machen kann, beleidigt in Wahrheit den Wähler.

Kinderzimmerschreck Rüttgers

Was man zu sehen bekommt, sind Porträts von Menschen in fremder Umgebung. Dazu hat das ZDF schon Familien nach Sibirien oder in die Südsee verfrachtet, jetzt sperrt es eben Politiker ins Reihenhaus. Bei solchen Sachen kommt nie etwas heraus, außer Unterhaltung.

"Ich finde es immer spannend, Menschen kennen zu lernen", sagt Rüttgers, als ihn sein Fahrer zu der Familie bringt. Er zieht einen Rollkoffer hinter sich her und begutachtet die Kinderzimmer, die er für unordentlich hält, dabei haben die fünf Kinder sie extra aufgeräumt.

"Wer ist für's Tischdecken zuständig?", fragt er. Als er hört, er solle einen bestimmen, sagt er, er sei "mehr für demokratische Strukturen". Am Ende macht er es selbst. Der Mann weiß sich durchzusetzen. Das wird sein Medienberater Michael Spreng, der zur letzten Bundestagswahl Stoibers menschliche Seite hervorkehren durfte, gern sehen.

Prompte Kommandoübernahme

"Ich möchte wissen, wie andere Menschen leben", sagt auch Ute Vogt, als ihr Fahrer sie zur "Tafel" bringt. Kurz darauf steht sie in der Küche eines Restaurants, als ein älterer Herr sie fragt, wo sie denn sonst arbeite. "Bei Otto Schily im Innenministerium", sagt sie.

"Als Sekretärin?" fragt der Mann. "Als Staatssekretärin", sagt Vogt und lächelt. Man sieht, dass sie keinen schlechten Eindruck hinterlassen will, aber sie wirkt nicht so angestrengt dabei wie Jürgen Rüttgers.

"Ich bin die Austauschkraft aus Dresden", sagt Antje Hermenau, als sie in die Tür des Hamburger Lofts fällt. Sie scheint sich nicht um den Eindruck zu kümmern, übernimmt das Kommando: "Ich geh' davon aus, dass wir uns jetzt unterhalten müssen, was wann wie zu laufen hat."

"Nee, klar"

Am Ende des Besuchs fragt sie der Musikproduzent, ob die Leute vor ihrer Entschiedenheit nicht Angst hätten. "Es gibt wenige, die mich nicht nett findet", antwortet sie. "Nee, klar", sagt er.

Nach den drei Tagen verlassen die Politiker ihre Tauschpartner so, wie sie sie erreicht haben. Sie steigen in ihre Dienstwagen. Das ist ein ganz unwirklicher Moment. Vielleicht weil ja sonst keiner einfach abgeholt wird, der sich fremd fühlt im Leben.

3 Tage Leben, Der Alltagstest für Politiker, ZDF, erste Folge Dienstag, 8. März, danach 9., 10. März, jeweils 22.45 Uhr.

© SZ vom 03.03.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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