Fehlende Akten:BND-Ausschuss muss Sitzung verschieben

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Der Untersuchungsausschuss konnte seine Vernehmungen zur Causa Kurnaz heute nicht fortsetzen. Dafür spricht der frühere Bremer Verfassungsschutz-Vize: Der Bericht seiner Ex-Behörde sei "professionell unter aller Sau".

Heute war die Vernehmung wichtiger Geheimdienst-Zeugen zum Fall des früheren Guantanamo-Häftlings Murat Kurnaz geplant. Sie fand nicht statt - wegen fehlender Akten. Es fehlten entscheidende Unterlagen aus dem Landesamt für Verfassungsschutz in Bremen, die er bereits am 1. Februar angefordert habe, sagte der Vorsitzende des Ausschusses, Siegfried Kauder (CDU), zur Begründung für die Verschiebung.

Die Vernehmung des früheren und des heutigen Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes (BND), August Hanning und Ernst Uhrlau, setze die Kenntnis von Akten voraus. Die Ausschussmitglieder hätten sich nicht auf die Befragung vorbereiten können. So könne man nicht arbeiten, sagte Kauder zum peinlichen Vorfall.

Der Ausschuss habe die Verschiebung der Sitzung auf den 8. März einstimmig beschlossen. An diesem Tag sollten bislang Steinmeier und Ex-Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) vernommen werden. Sie sollen nun voraussichtlich erst am 22. März gehört werden.

Kauder sagte, er habe die Akten am 22. Februar erneut in Bremen angemahnt. In den Unterlagen soll es Vermerke geben, wonach Kurnaz, der im Herbst 2001 nach Pakistan gereist und dort festgenommen wurde, von Verfassungsschutz-Informanten als gefährlich eingeschätzt wurde.

Die Opposition spricht von einem Skandal

Diese waren die Grundlage dafür, dass die damalige rot-grüne Bundesregierung im Herbst 2002 Kurnaz' Wiedereinreise nach Deutschland nach einer Freilassung aus dem US-Gefangenenlager ablehnte. Die Opposition nannte die Vorenthaltung der Akten einen Skandal.

Derweil widersprach der frühere stellvertretende Leiter des Bremer Verfassungsschutzes, Lothar Jachmann, den bisherigen Darstellungen, wonach Murat Kurnaz 2002 als Sicherheitsrisiko für Deutschland einzuschätzen war.

"Eine bestätigte Information, dass Murat Kurnaz gezielt nach Pakistan aufgebrochen ist, um Al-Qaida-Verbindungen aufzunehmen oder gar direkt in den Kampf zu ziehen, so etwas gab es nicht", sagte der Verfassungsschützer im ARD-Magazin Monitor, das heute abend ausgestrahlt wird.

Einen Bericht des Bremer Verfassungsschutzes vom 16. Dezember 2005, der eine andere Auffassung nahe gelegt hatte, bezeichnete Jachmann als "professionell unter aller Sau".

Jachmann hatte in Bremen die Operation zur Aufklärung des Falles Kurnaz geleitet. V-Leute sollten damals mit nachrichtendienstlichen Mitteln überprüfen, ob Kurnaz als Kämpfer für den Krieg in Afghanistan radikalisiert worden sei.

"Wir hatten alle nichts auf der Pfanne"

"Wenn man nichts hat - das ist das Prinzip des Rechtsstaates - dann kann man auch nicht zu solch einer Etikettierung kommen, er sei ein Sicherheitsrisiko", sagte Jachmann. Seinen Angaben zufolge wurde der Bremer Verfassungsschutz damals unmittelbar von einem Beamten des Bundesamtes für Verfassungsschutz informiert, der Kurnaz im September 2002 in Guantanamo zwei Tage lang vernommen hatte.

Auf die Frage, ob es dabei belastende Informationen über Kurnaz gegeben habe, sagte Jachmann: "Wir hatten alle nichts auf der Pfanne, weder die Amerikaner, noch der BND, noch der Verfassungsschutz."

Aus diesem Grund habe der Beamte des Bundesamtes für den Verfassungsschutz damals zu ihm gesagt, Kurnaz sei "Weihnachten 2002 wieder zu Hause". Gegen eine vorzeitige Rückkehr von Kurnaz habe es allerdings Widerstand in Berlin gegeben. Jachmann: "Das Problem sei gewesen, dass man im politischen Raum nicht so glücklich darüber ist, dass er (Kurnaz) möglicherweise nach Deutschland zurückkehren könne."

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