Fall Kurnaz: Vorwürfe gegen den Außenminister:Steinmeier gerät in Erklärungsnot

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Der Außenminister gerät im Fall Kurnaz zunehmend in Bedrängnis. Die rot-grüne Regierung, in der Steinmeier Kanzleramts-Chef war, hat nicht nur die Freilassung des Türken verzögert, sondern auch versucht, einen neuen Terrorverdacht gegen ihn zu konstruieren.

Die Berichterstattung der Süddeutschen Zeitung, wonach die Bundesregierung mit Wissen des damaligen Kanzleramtschefs Steinmeier noch im Herbst 2005 die Wiedereinreise des in Guantanamo inhaftierten Türken Murat Kurnaz verhindern wollte, hat am Freitag heftige Reaktionen hervorgerufen.

Der Linksabgeordnete Wolfgang Neskovic warf der ehemaligen rot-grünen Regierung und Steinmeier eine ,,erbarmungslose, menschenfeindliche Kälte'' im Umgang mit Kurnaz vor.

Das Bemühen, die Überstellung von Kurnaz nach Deutschland zu verhindern, sei ,,abgrundtief zynisch''. ,,Ich glaube nicht, dass Steinmeier das politisch überleben wird'', erklärte Neskovic.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Volker Beck, sagte, wenn Steinmeier gebilligt habe, dass man Kurnaz unnötig lange in Gefangenschaft hielt, dann ,,könnte er die Menschenrechtspolitik und Außenpolitik der Bundesrepublik nicht mehr glaubwürdig vertreten''. Er müsse dann zurücktreten.

Die FDP verlangte ausdrücklich nicht den Rücktritt Steinmeiers zum jetzigen Zeitpunkt. Ihr Innen-Experte Max Stadler forderte aber Innenminister Wolfgang Schäuble und Steinmeier zu einer sofortigen Klarstellung auf. Die Aktenvermerke wiesen ,,auf ein schwerwiegendes Fehlverhalten höchster deutscher Regierungsstellen in einer grundlegenden Frage der Wahrung der Menschenrechte hin'', erklärte Stadler.

Steinmeiers Sprecher Jens Plötner nannte die Äußerung von Neskovic befremdlich. Die Arbeit des BND-Untersuchungsausschusses zum Fall Kurnaz stehe ganz am Anfang.

"Es gab kein sustanziiertes Angebot der Amerikaner"

Man müsse erst alle Informationen sammeln und könne dann daraus Schlüsse ziehen. Steinmeier sei bereit, dem Ausschuss Rede und Antwort zu stehen. Regierungssprecher Ulrich Wilhelm sagte, die Bundesregierung wolle auch künftig zur Aufklärung beitragen. Steinmeier leiste hervorragende Arbeit und genieße das Vertrauen von Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Der Obmann der SPD im Untersuchungsausschuss, Thomas Oppermann, trat dem Eindruck entgegen, es habe ein eindeutiges Angebot der USA an Deutschland zur Freilassung von Kurnaz gegeben: ,,Die Diskussion über die Freilassung kam aus geheimdienstlichen Kreisen, die dafür nicht zuständig waren'', sagte Oppermann der SZ.

,,Es gab kein substanziiertes Angebot des amerikanischen Verteidigungsministeriums, Kurnaz freizulassen''. Die grundsätzliche Ablehnung einer Wiedereinreise von Kurnaz nach Deutschland im Jahre 2002 sei im Lichte der damaligen sicherheitspolitischen Beurteilungen zu sehen.

Die Bundesregierung war schon 2002 darüber informiert, dass Kurnaz in Guantanamo physisch und psychisch misshandelt wurde. Beamte des Bundesnachrichtendienstes und des Verfassungsschutzes, die Kurnaz im September 2002 auf Kuba verhörten, fanden keine Belege für terroristische Aktivitäten von Kurnaz. Dennoch hat die rot-grüne Regierung noch nach der Bundestagswahl 2005 versucht, eine Rückkehr von Kurnaz nach Deutschland zu verhindern.

Aus vertraulichen Dokumenten geht hervor, dass das Bundesinnenministerium und das Bundesamt für Verfassungsschutz hofften, ,,von US-Seite weitere Informationen'' gegen Kurnaz zu bekommen, die ,,den Verdacht der Unterstützung des internationalen Terrorismus erhärten.

Derzeit läuft eine Anfrage der Sicherheitsbehörden an die US-Seite'', heißt es in einem Vermerk des Auswärtigen Amtes vom 26. Oktober 2005. Der Verfasser notiert auch, dass Steinmeier gegen eine ,,Wiedereinreise'' von Kurnaz nach Bremen sei.

© SZ vom 20.1.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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