Fakten:"Gar nicht schlecht"

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Wie steht Deutschland im internationalen Vergleich da? Beim Fachkräfte-Zuzug liegt die Bundesrepublik bisher im Mittelfeld.

Von Roland Preuss

Die neuesten Zahlen sind von 2017, und da erhielten in den ersten sechs Monaten gut 64 000 Menschen aus Ländern außerhalb der EU die Erlaubnis, in Deutschland zu arbeiten. Hinzu kamen noch mal etwas mehr als 64 000 Aufenthaltstitel für eine Ausbildung, also für mögliche künftige Fachkräfte. Macht, grob skizziert, zusammen 128 000 Migranten in einem halben Jahr. Ist das nun viel - oder viel zu wenig? Und wie steht Deutschland im internationalen Vergleich damit da?

Nimmt man die Zahl der unbesetzten Stellen im Land als Maßstab, laut Bundesregierung 1,2 Millionen, muss dies wenig erscheinen. Auch wenn man den von Wirtschaftsverbänden bezifferten Mangel heranzieht, muss einem die Summe mickrig vorkommen. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag nannte in einer Schätzung vom Frühjahr sogar 1,6 Millionen Stellen, die längerfristig nicht besetzt werden könnten. Und der Bedarf werde voraussichtlich noch größer werden, schreibt das Bundesarbeitsministerium.

Es gibt allerdings auch Argumente dafür, die Lage nicht so dramatisch zu sehen. So kommen Fachkräfte ja nicht nur aus Staaten von außerhalb der Europäischen Union, die meisten wandern zu aus EU-Staaten, IT-Experten aus Rumänien, Elektriker aus Polen oder auch Banker aus London. Fast 137 000 EU-Zuwanderer zählte das Bundesamt für Migration unter dem Strich, also minus Abwanderer, im ersten Halbjahr 2017, ein Großteil dürfte zum Arbeiten zugezogen sein. Hinzu kommen Hunderttausende Asylbewerber und Menschen, die als Ehegatten oder Kinder ins Land ziehen, auch unter ihnen befinden sich Qualifizierte.

"Die EU-Migration miteingerechnet, steht Deutschland gar nicht schlecht da", sagt Thomas Liebig, Ökonom und Migrationsexperte bei der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in Paris. Aber eben nur, wenn man die EU-Bürger miteinrechne. "Die Erwerbszuwanderung aus Drittstaaten ist dagegen bescheiden." Nach Einschätzung von Liebig kommen aus diesen Staaten sogar noch weniger Fachkräfte dauerhaft ins Land, als die offiziellen Zahlen zu Aufenthaltstiteln vermuten lassen. Einige waren schon da und haben erst jetzt den Titel ergattert, andere gehen bald wieder. Netto seien es bisher nur 30 000 bis 35 000 Qualifizierte, sagt Liebig. Pro Einwohner gerechnet liegt Deutschland im Vergleich der Industrieländer im Mittelfeld, deutlich hinter der Schweiz oder Österreich, aber vor Frankreich oder Schweden ( siehe Grafik ).

Die jeweiligen Gesetze sind dabei laut Liebig und anderen Experten allerdings nur ein Faktor von vielen. "Bei den Hochqualifizierten hat Deutschland schon eine der offensten Regelungen überhaupt, bei den Mittelqualifizierten, also etwa Ausbildungsberufen, ist es bisher dagegen noch restriktiv, mit einigen Ausnahme, etwa für Pflegekräfte", sagt Liebig. Für wanderungswillige Fachkräfte sind oft auch andere Fragen ausschlaggebend: Beherrsche ich die Sprache des Landes? Erhalte ich Unterstützung bei den Einreiseformalitäten? Oder wie bekomme ich überhaupt Kontakt zu möglichen Arbeitgebern im Zielland? Fachleute fordern deshalb, im Ausland mehr Sprachkurse anzubieten und mehr Werbung zu machen für Leben und Arbeiten in Deutschland.

© SZ vom 20.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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