Ex-Terroristen auf allen Kanälen:"Sternstunde für die RAF"

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Das frühere RAF-Mitglied Peter-Jürgen Boock setzt sich mit Michael Buback in eine Fernsehshow, Täterspekulationen haben Hochkonjunktur. Doch nun formiert sich eine Koalition des Widerstandes aus Hinterbliebenen, Politikern und Ex-Ermittlern.

In der Debatte über eine Neubewertung des Mordes an Siegfried Buback mehren sich die skeptischen Stimmen. Der ehemalige BKA-Präsident Hans-Ludwig Zachert kritisierte die laufende Diskussion als "rein täterbezogen" und zweifelte den Wahrheitsgehalt der Aussagen von Exterrorist Peter-Jürgen Boock an.

Boock selbst sagte in der ARD-Diskussion mit Buback auf die Frage nach der Quelle seiner Aussage, Wisniewski habe 1977 auf den Generalbundesanwalt geschossen: "Es ist mir schlicht erzählt worden." Gegen den inhaftierten Christian Klar als Todesschützen spreche auch, dass dieser nicht an der militärischen Ausbildung der RAF teilgenommen habe.

Michael Buback attestierte Boocks Aussagen eine gewisse innere Logik, räumte aber ein, er könne auch nicht ausschließen, dass diesem seinerzeit etwas Falsches erzählt worden sei. Noch wisse er nicht, wer seinen Vater ermordet habe. Er hoffe aber nach dem von Generalbundesanwältin Monika Harms in Gang gesetzten neuen Ermittlungsverfahren, der Wahrheit bald näher zu kommen, fügte Michael Buback im ersten Fernsehgespräch zwischen ehemaligen Terroristen und Angehörigen der RAF-Opfer hinzu.

Kritik an dem gemeinsamen Fernsehauftritt von Buback und Boock übten nach der CDU am Donnerstag auch die Linkspartei und die Witwe des von der RAF erschossenen Managers Detlev Karsten Rohwedder.

"Bei allem Respekt für die persönliche Bewältigung seines Schicksals ist für mich der öffentliche Auftritt eines von uns (Opfern) auf gleicher Augenhöhe mit einem der Mörder und Terroristen als gleichwertigem Gesprächspartner erschütternd und nicht nachvollziehbar", sagte Hergard Rohwedder der Passauer Neuen Presse. Beim Mordanschlag auf ihren Mann war sie selbst durch einen Schuss verletzt worden.

Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau von der Linksfraktion sagte im Südwestrundfunk (SWR), zur eigentlichen Aufklärung möglicher Ungereimtheiten in Sachen RAF seien "Fernsehdebatten natürlich nicht geeignet". Medien und Öffentlichkeit müssten sich fragen, wie weit sie "verurteilten Verbrechern eine Bühne bieten". Respekt äußerte Pau aber für Michael Buback, der wie alle Angehörigen der Terroropfer das Recht habe, "seinen Weg der Verarbeitung zu finden und des Umgangs damit".

Der ehemalige Präsident des Bundeskriminalamts, Hans-Ludwig Zachert, sagte am Donnerstagabend im "heute-journal" des ZDF, heute sei die RAF wieder in den Medien allgegenwärtig wie seinerzeit in den 70er Jahren. Die aktuelle Diskussion über die Morde der Rote-Armee-Fraktion sei "rein täterbezogen" - und eine "Sternstunde" für die Ex-Terroristen.

Sternstunde für die RAF

Er halte es für unverantwortlich, aus jüngsten Aussagen des früheren RAF-Mitglieds Peter-Jürgen Boock zum Mord an Generalbundesanwalt Siegfried Buback 1977 vorschnelle Schlüsse zu ziehen. "Boock ist bekannt als jemand, der es mit der Wahrheit nicht so sehr ernst nimmt", sagte Zachert. Für die Aufklärung der Tat reichten seine Behauptungen nicht aus. "Es müssen handfeste Beweise vorliegen."

Weiter kritisierte er, dass in der öffentlichen Diskussion derzeit sehr viel von den Tätern und kaum von den Opfern des Terrors die Rede sei.

Das Gedenken an die Opfer der RAF im Terrorjahr 1977 ist bisher von aktuellen Ereignissen überschattet worden. Dazu zählt die Debatte um eine vorzeitige Haftentlassung Klars, der bei Bundespräsident Horst Köhler ein Gnadengesuch gestellt hat. Auch die Freilassung von Brigitte Mohnhaupt, die an den tödlichen Anschlägen 1977 maßgeblich beteiligt war, sorgte Ende März für Schlagzeilen. Sie hatte ihre Mindesthaftzeit verbüßt.

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