Ex-Agent tot:"Gott möge Ihnen vergeben für das, was Sie mir angetan haben"

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Der russische Ex-Spion ist mit einer hohen Konzentration der radioaktiven Substanz Polonium 210 getötet worden. Seine schweren Vorwürfe wenige Tage vor seinem Tod wies Präsident Putin zurück - und sprach von einer Provokation.

Der russische Ex-Spion Alexander Litwinenko (43) ist in London mit einer hohen Konzentration der radioaktiven Substanz Polonium 210 getötet worden.

Das bestätigten britische Behörden. Scotland Yard intensivierte die Fahndung nach den unbekannten Tätern und durchsuchte dabei auch mehrere Gebäude sowie die Wohnung Litwinenkos nach Spuren des radioaktiven Metalls.

Russlands Präsident Wladimir Putin wies alle Anschuldigungen zurück, wonach er die Ermordung des Regimegegners angeordnet haben soll und sprach von einer "Provokation".

Der Ex-Agent hatte wenige Tage vor seinem Tod in einer Botschaft, die erst am Freitag veröffentlicht wurde, Putin scharf angegriffen: "Sie mögen Erfolg damit haben, einen Mann zum Schweigen zu bringen, doch die Protestschreie aus der ganzen Welt werden Ihnen, Herr Putin, bis ans Lebensende in den Ohren klingen", erklärte Litwinenko. Der einstige Agent des Sowjetgeheimdienstes KGB sowie dessen Nachfolger FSB war am Donnerstagabend nach dem Versagen innerer Organe gestorben.

"Barbarisch und unbarmherzig"

Die Mediziner am University College Hospital, in dem Litwinenko behandelt worden war, wussten nach eigenen Angaben bis zuletzt nicht, welche Substanz für seinen rasanten körperlichen Verfall gesorgt hatte. Erste Vermutungen, es handle sich um radioaktives Thallium, waren wieder revidiert worden.

In seiner Erklärung, die Litwinenko nach Angaben der Familie am vergangenen Dienstag diktierte, warf er Putin vor, sich als "genauso barbarisch und unbarmherzig erwiesen" zu haben, wie die meisten seiner Kritiker dies behauptet hätten.

Er fügte hinzu: "Gott möge Ihnen vergeben, für das, was Sie mir und dem geliebten Russland und seinem Volk angetan haben." Freunde und Verwandte Litwinenkos hatten Moskau bereits zuvor öffentlich beschuldigt, die Vergiftung des Regimekritikers befohlen zu haben.

"Dieses Regime ist eine tödliche Gefahr für die Welt", sagte Litwinenkos Vater Walter in London. Der russische Präsident erklärte am Rande einer EU-Konferenz in Helsinki: "Ich bedauere den Tod, und spreche der Familie mein Bedauern aus." Putin fügte hinzu: "Leider werden tragische Ereignisse wie dieser Tod für Provokationen ausgenutzt."

Er hoffe, dass "die britischen Behörden nichts tun, um politische Skandale anzuheizen". Russland sei bereit, "bei Ermittlungen der britischen Behörden jede nur mögliche Hilfe zu leisten". Putin sagte, auch in vielen anderen europäischen Ländern gebe es politische Morde, die bisher nicht geklärt worden seien.

"Schauen wir doch nur mal die Lage der Mafia innerhalb der EU an", sagte er. Nach britischen Medienberichten gehen die Ermittler unter anderem Hinweisen darauf nach, dass Litwinenko am 1. November dadurch vergiftet wurde, dass ihm die radioaktive Substanz in ein Getränk gemischt wurde.

Litwinenko sorgte 1998 für Schlagzeilen

Er hatte sich an dem Tag nach Angaben eines Freundes mit zwei Russen in einem Hotel zum Tee getroffen. Einer der Männer soll ein früherer KGB-Mitarbeiter gewesen sein. Litwinenko lebte seit 2000 in London im Exil. Vor kurzem hatte er die britische Staatsbürgerschaft bekommen.

Er hatte zuerst 1998 Schlagzeilen gemacht, als er behauptete, vom FSB, dessen Chef damals Putin war, den Befehl zur Ermordung des russischen Milliardärs Boris Beresowski bekommen zu haben.

Später behauptete er, es sei der FSB gewesen, der 1999 mehrere Bombenanschläge auf Wohnhäuser in Russland verübt habe, um einen Vorwand für den zweiten Tschetschenien-Krieg zu haben. Zuletzt beschäftigte sich Litwinenko mit Recherchen zur Ermordung der regimekritischen russischen Journalistin Anna Politkowskaja. Sie war am 7. Oktober in Moskau erschossen worden.

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