Europäischer Auswärtiger Dienst:Diplomaten im Auftrag Europas

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Das EU-Parlament sagt Ja zum Europäischen Auswärtigen Dienst: Catherine Ashton gebietet von Dezember an über 3700 Diplomaten. Mit Helga Schmid könnte eine Deutsche einen der vier Spitzenposten bekommen.

Martin Winter

Endlich ist es soweit: Das EU-Parlament hat den neuen Europäischen Auswärtigen Dienst (EAD) bewilligt. Die Hohe Vertreterin für die Außen- und Sicherheitspolitik, Catherine Ashton, wird bald über 3700 Diplomaten gebieten, die einerseits die Aufgaben eines klassischen Außenministeriums erfüllen und die Europa andererseits in den fast 200 Botschaften rund um den Globus vertreten. Am 1. Dezember beginnt der Dienst mit der Arbeit. Ausgewählt werden sollen die Mitarbeiter ausschließlich nach Qualifikation - vor allem osteuropäische Länder hatten zuvor für eine Quote plädiert, weil sie Angst vor Benachteiligung haben. Deutschland schickt mit Helga Schmid eine aussichtsreiche Kandidatin für einen der Spitzenposten ins Rennen.

Gebietet in Zukunft über 3700 Diplomaten: Catherine Ashton, die Hohe Vertreterin für Außen- und Sicherheitspolitik der EU. (Foto: AFP)

Man mag sich darüber streiten, ob Helga Schmid nun eher eine deutsche oder eine europäische Spitzendiplomatin ist. Aber nicht mehr darüber, ob die in Dachau geborene 49-Jährige einen der vier Spitzenposten im gerade neu geschaffenen Europäischen Auswärtigen Dienst bekommt. Nachdem das Europäische Parlament jetzt grünes Licht für den Dienst gegeben hat, gibt es kaum einen vernünftigen Zweifel daran, dass Schmid dessen stellvertretende Generalsekretärin wird. Berlin schreibt sich diese Personalie zugute.

Das ist einerseits begründet, denn Spitzenjobs werden in Brüssel immer mit Blick auf die Bedeutung der Mitgliedsländer vergeben. Die Leitung des Auswärtigen Dienstes ohne deutsche Beteiligung? Unvorstellbar. Andererseits wird diese an der Arithmetik der Macht orientierte Sichtweise Helga Schmid nicht gerecht. Sie ist schon lange eine europäische Topdiplomatin - und wenn es allein nach Qualifikation ginge, würde sie das Bewerbungsverfahren bei der Hohen Vertreterin für die Außen- und Sicherheitspolitik der EU, Catherine Ashton, sicher aus eigener Kraft bestehen.

1988, nachdem sie Geschichte, Romanistik und Anglistik in München und Paris studiert hatte, trat Schmid in den deutschen diplomatischen Dienst ein und leitet seit 2006 die "Policy Unit", die Zentrale der europäischen Außen- und Sicherheitspolitik in Brüssel. Sie ist die Chefin von Dutzenden Diplomaten aus allen Mitgliedsländern. Unter ihrer Leitung wird außenpolitisch geplant, aber auch umgesetzt. Ashtons Vorgänger Javier Solana vertraute Schmid sogar gelegentlich Geheimmissionen wie etwa im Libanon an. Sie war seine enge Beraterin, so wie sie das jetzt auch für Ashton ist.

Überhaupt haben Außenpolitiker immer mal wieder Schmids Rat gesucht, manchmal auch zu deren eigener Überraschung. So bat Joschka Fischer, als er Außenminister Klaus Kinkel ablöste, dessen europapolitische Beraterin Schmid, für die bevorstehenden sechs Monate der deutschen EU-Präsidentschaft weiter im Ministerbüro zu bleiben. Aus den sechs Monaten wurden dann sechs Jahre - und am Ende vertraute Fischer ihr die Leitung seines Büros an. Wer genau hinsieht, der wird Ideen von Helga Schmid in Fischers legendärer Humboldt-Rede zur Reform Europas wiederfinden.

Seit dem Beginn ihrer diplomatischen Karriere beschäftigt sich Schmid mit Europa - unterbrochen nur von einer dreijährigen Stationierung in Washington. Dieses Europa-Interesse und ihre europäischen Erfahrungen zahlen sich für sie nun in Brüssel aus. Als es 2008 darum ging, die 2003 beschlossene Europäische Sicherheitsstrategie der veränderten Weltlage, aber auch neuen Erkenntnissen über die Möglichkeiten und Grenzen europäischer Außenpolitik anzupassen, da warb sie erfolgreich dafür, dass die EU vor allem ihre "Vermittlungsfähigkeit" ausbaut.

Nach etlichen Polizei- und Militärmissionen der EU ist Schmid überzeugt, dass Europa sich viel stärker darauf konzentrieren muss, Krisen zu begegnen, bevor sie zu Krisen werden. Beruft Ashton sie, dann kann Schmid zeigen, ob und wie das in einer von Konflikten geplagten Welt tatsächlich funktioniert.

© SZ vom 20.10.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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