Europäische Integration:Schröder geht auf Distanz zu Fischer

Lesezeit: 1 min

Bundeskanzler Gerhard Schröder hat in der Europapolitik erstmals öffentlich Distanz zu Außenminister Joschka Fischer erkennen lassen. Die Verabschiedung der europäischen Verfassung habe absolute Priorität.

Von Nico Fried

Das sagte Schröder der Deutschen Presse-Agentur. "Wir müssen uns aber auch überlegen, wie die europäische Einigung in einer deutlich vergrößerten Europäischen Union vorangebracht werden kann.", betonte er.

"In den Bereichen, in denen das für die Fortführung der Integration notwendig ist, sollten wir auch in Zukunft ganz pragmatisch nach Wegen suchen, die jeweils das Voranschreiten einer Gruppe von Mitgliedstaaten ermöglichen." Unterschiedliche Geschwindigkeiten bei der Integration seien heute bereits Realität, sagte der Kanzler mit Blick auf die Wirtschafts- und Währungsunion, das Schengener Abkommen über den freien Grenzverkehr und die Sicherheits- und Verteidigungspolitik.

"Klein-europäische Vorstellungen teile ich nicht mehr."

Fischer hatte zuletzt in mehreren Interviews die enge Zusammenarbeit von Staatengruppen zwar nicht ausgeschlossen, allerdings ihre praktische Umsetzung in Zweifel gezogen. Er sei mehr denn je überzeugt, dass Europa mehr Integration brauche, so Fischer. "Aber klein-europäische Vorstellungen teile ich nicht mehr."

Angesichts der Globalisierung und der sicherheitspolitischen Herausforderungen einerseits sowie der großen Zahl der EU-Mitgliedsstaaten nach der Erweiterung andererseits müsse der innere Zusammenhalt der Union gestärkt werden. Fischer hatte in diesem Zusammenhang von einer "strategischen Dimension" gesprochen, die Europa ausfüllen müsse. Die verstärkte Zusammenarbeit werde sich künftig kaum noch auf einige Kernstaaten der EU beziehen. "Es werden fast immer Mehrheiten sein, also nicht kleine Staatengruppen."

Schröder würdigte den Beitritt von zehn Staaten zur Europäischen Union am 1. Mai als "Datum von überragender geschichtlicher Bedeutung". Es bestehe nun die Chance, Europa nicht nur wirtschaftlich, sondern auch politisch zu einen. Der Kanzler nahm für Deutschland in Anspruch, maßgeblich zur Verwirklichung der Erweiterung beigetragen zu haben. "Die jetzige Erweiterung, das darf ich mit einigem Stolz sagen, hätte es ohne unseren entschiedenen Einsatz für die neuen Mitglieder so oder so schnell nicht gegeben."

Am Donnerstag flog Schröder in die Niederlande, wo neben Treffen mit Königin Beatrix und Ministerpräsident Jan Peter Balkenende auch eine Rede an der Erasmus-Universität in Rotterdam vorgesehen war.

© SZ vom 16.4. 2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: