Europäische Behörden:Städtebalgen in Europa

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Wegen des Brexits bewerben sich zahlreiche Metropolen um den Sitz zweier EU-Agenturen. Auch Frankfurt und Bonn glauben an ihre Chance.

Von Thomas Kirchner, Brüssel

Um die zwei EU-Agenturen, die bisher in London saßen und nach dem Brexit umziehen müssen, haben sich 23 europäische Städte beworben. Die Liste wurde am Dienstag in Brüssel veröffentlicht. Demnach hätten Bonn und 18 weitere Metropolen gerne die mit 900 Mitarbeitern besonders lukrative Arzneimittelbehörde (Ema). Frankfurt am Main zählt neben Brüssel, Dublin, Paris, Prag, Luxemburg, Wien und Warschau zu den acht Städten, die künftig die Bankenaufsicht (Eba) mit knapp 200 Beschäftigten beherbergen wollen. Wien, Dublin, Warschau und Brüssel haben sich für beide Agenturen beworben. Jedes Land kann aber nur eine der Behörden bekommen. Die Entscheidung fällt im November.

Über das weitere Vorgehen hatten sich die Staats- und Regierungschefs am Rande des Gipfels Ende Juni verständigt und klar gemacht, dass es sich um eine spezielle Situation handelt. Die 27 EU-Staaten wollen ein gewisses Maß an Eintracht wahren und den üblichen harten Machtkampf vermeiden. Demnach wird die Europäische Kommission die Bewerbungsliste nun sichten und bis Ende September Empfehlungen aussprechen. Sie vergibt Punkte nach sechs Kriterien: Diese sind unter anderem die Verkehrsanbindung, die Qualität von Schulen für die Kinder der Beamten, der Zugang zum Arbeitsmarkt für die mit umgezogenen Familienmitglieder, die Frage, ob ein nahtloser Umzug garantiert werden kann. Die geografische Verteilung spielt ebenso eine Rolle wie der Wunsch, neue Mitglieder zu berücksichtigen.

Über den Bericht der Kommission werden die Europaminister der EU-Staaten im Oktober eine "politische Debatte" führen und im November schließlich in geheimer Wahl abstimmen. Dabei hat jeder Mitgliedstaat sechs Stimmen, die er auf seine drei Favoriten verteilt. Erhält eine Stadt drei Stimmen von 14 Staaten, ist sie gewählt. Ansonsten folgen eine zweite und dritte Runde, bei der jeder Staat nur eine Stimme hat. Am Ende zählt die einfache Mehrheit, bei Stimmengleichheit das Los.

Frankfurt sieht gute Chancen für sich. Es sei "aufgrund der Kombination aus sehr guter Infrastruktur, den vielen internationalen Banken und Versicherungen sowie der bestehenden Struktur aus der Europäischen Zentralbank, der Versicherungsaufsicht Eiopa sowie der Deutschen Bundesbank, der BaFin, dem Europäischen Ausschuss für Systemrisiken und dem europäischen Aufsichtsmechanismus das bedeutendste Finanzzentrum in Kontinentaleuropa", betonte Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU). Die Ansiedlung der Bankenaufsicht sei "der nächste logische Schritt".

Die Ansiedlung der Bankenaufsicht sei ein logischer Schritt, findet Volker Bouffier

Allerdings nimmt auch Luxemburg, das am Dienstag seine Bewerbung in Brüssel vorstellte, für sich in Anspruch, "die natürliche Wahl" für den Sitz der Eba zu sein. Die Stadt beherberge die Europäische Investitionsbank sowie den Rettungsfonds ESM und liege geografisch in der Mitte zwischen Paris, Brüssel und Frankfurt, wo die wichtigsten Banken- und Versicherungsbehörden säßen. Auf eine 1965 getroffene Abmachung, EU-Einrichtungen "besonders im Finanzbereich" in Luxemburg anzusiedeln, will das Großherzogtum nicht mehr pochen; es will inhaltlich überzeugen. In der Kritik, die in jüngster Zeit an den Steuerdeals Luxemburgs mit großen Konzernen geübt wurde, sah ein Diplomat kein Problem. Von der OECD sei dem Land bescheinigt worden, dass sich vieles verbessert habe.

© SZ vom 02.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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