Europäische Asylpolitik:Abwehr per Annonce

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Ungarn warnt auf ganzseitigen Anzeigen in libanesischen und jordanischen Zeitungen Flüchtlinge vor dem Betreten des Landes. Wieder ertrinken viele Menschen im Mittelmeer.

Trotz scharfer Grenzkontrollen in Ungarn, Kroatien und Slowenien sind am Wochenende erneut Tausende Flüchtlinge nach Österreich gekommen. Von Mitternacht bis neun Uhr früh am Montag haben nach Polizeiangaben mehr als 3200 Flüchtlinge die ungarisch-österreichische Grenze in Nickelsdorf passiert. Am Sonntag kamen dort weit mehr als 10 000 Menschen über die Grenze. In der Steiermark ist die Lage ruhiger. Über die dortige Grenze zu Slowenien kamen seit Mitternacht etwa 600 bis 700 Flüchtlinge.

Tausende weitere machten sich über das Mittelmeer auf den gefährlichen Weg in die EU, viele verloren dabei ihr Leben. Vor der türkischen Küste ertranken am frühen Sonntag bis zu 24 Flüchtlinge, als ihr Schlauchboot auf dem Weg zur Insel Lesbos von einer türkischen Fähre gerammt wurde, die es in der Dunkelheit offenbar nicht gesehen hatte. Nach einem weiteren Bootsunglück vor der Küste von Lesbos suchte die Küstenwache nach 26 vermissten Flüchtlingen, darunter auch Kinder.

Die türkische Polizei hat am Montag am Stadtrand von Istanbul eine Gruppe von rund 200 syrischen Flüchtlingen gestoppt, die sich zu Fuß auf den Weg nach Deutschland gemacht hatten. Wie türkische Online-Medien meldeten, hielten die Beamten die Syrer auf einer Autobahn außerhalb der Stadtgrenze auf. Am Nachmittag begann die Polizei damit, die Flüchtlinge per Bus in Auffanglager zu bringen. Türkische Oppositionspolitiker kritisierten, die Flüchtlinge wollten nach Europa, weil die Türkei ihnen keine Perspektiven biete.

Der Andrang von Flüchtlingen über die sogenannte Westbalkanroute hielt am Montag unvermindert an: Nachdem Ungarn seine Grenze zu Serbien mit einem Zaun und Stacheldraht abgeriegelt hatte, kamen in Kroatien seit Mittwoch nach Angaben der Regierung in Zagreb 25 000 Flüchtlinge an. Kroatien hatte deshalb damit begonnen, Flüchtlinge an die ungarische Grenze zu bringen, was wütende Reaktionen in Budapest zur Folge hatte. Ungarn stellte nun einen Stacheldrahtzaun auch an der Grenze zu Kroatien fertig.

Kroatien fordert Griechenland auf, keine weiteren Asylsuchenden mehr durchzulassen

Zudem begann Budapest, die Flüchtlinge möglichst rasch in Bussen in Richtung Österreich weiterzuleiten. Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán erklärt, solange es keine gemeinsame EU-Haltung zur Flüchtlingskrise gebe, seien die Mitgliedsstaaten gezwungen, sich selbst gegen die "brutale Gefahr" der Massenmigration zu schützen. Auf ganzseitigen Anzeigen in führenden Tageszeitungen des Libanons und Jordaniens hat Ungarn vor einem illegalen Betreten seines Landes gewarnt. Es sei ein Verbrechen, das mit Gefängnis bestraft werden könne, hieß es in den am Montag veröffentlichten Annoncen. Libanon hat fast 1,2 Millionen Flüchtlinge aus Syrien aufgenommen, Jordanien rund 630 000. Viele von ihnen wollen angesichts geringer werdender Hilfsleistungen und mangelnder Arbeitsmöglichkeiten nach Europa auswandern.

Kroatien verlangt indes von Griechenland, keine Flüchtlinge mehr nach Europa durchzulassen. "Es ist absolut inakzeptabel, dass Griechenland seine Flüchtlingslager leert und die Menschen über Mazedonien und Serbien nach Kroatien schickt", sagt Innenminister Ranko Ostojić. Er werde dies am Dienstag beim EU-Innenministertreffen fordern.

Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) veröffentlichte am Montag einen Bericht, der die schwierige Situation von Flüchtlingen in Mazedonien zeigt. An der griechisch-mazedonischen Grenze kommen täglich zwischen 2000 und 8000 Flüchtlinge an. Laut HRW-Bericht geht die Polizei auf mazedonischer Seite rabiat gegen die Schutzsuchenden vor. Sie würden geschlagen und beleidigt. Es sei klar zu sehen, dass Mazedonien ein Problem mit Polizeigewalt gegen Flüchtlinge und Migranten habe.

© SZ vom 22.09.2015 / SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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