EU-Verfassung:Merkel fordert Kompromissbereitschaft

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Kurz vor beginn des EU-Gipfels hat die Kanzlerin noch einmal an alle Mitglieds-staaten appelliert, den Weg für einen neuen Grundlagenvertrag freizumachen.

Wenige Tage vor dem EU-Gipfel zur Zukunft der umstrittenen EU-Verfassung hat Bundeskanzlerin Angela Merkel alle übrigen 26 Mitgliedsstaaten zur Kompromissbereitschaft aufgerufen.

Fordert Kompromissbereitschaft innerhalb der EU: Kanzlerin Angela Merkel (Foto: Foto: dpa)

Die amtierende EU-Ratspräsidentin sprach in ihrer wöchentlichen Videobotschaft von einem großen Projekt, dass die Staats-und Regierungschefs der Europäischen Union (EU) Ende nächster Woche in Brüssel auf den Weg bringen müssten.

Sie wandte sich nicht direkt an Polen, das mit einem Veto gedroht hat. Am Abend wollte sie mit dem polnischen Präsidenten Lech Kaczynski bei einem Treffen auf Schloss Meseberg bei Berlin die Chancen für eine Einigung ausloten.

Merkel bekräftigte ihr Ziel, beim Gipfeltreffen am Donnerstag und Freitag das weitere Vorgehen zu vereinbaren, damit der geplante EU-Verfassungsvertrag bis zu den Europawahlen 2009 in allen Mitgliedsländern unter Dach und Fach ist.

"Wir werden jetzt einen Vorschlag für einen solchen Fahrplan vorlegen. Damit er verabschiedet werden kann, wird die Kompromissbereitschaft aller notwendig sein." Die EU dürfe sich nicht zu lange mit sich selbst beschäftigen.

Barroso fordert Ende der Hängepartie

"Wenn wir nächste Woche in diesem Geist an die Arbeit gehen, dann hoffe ich, dass wir auch zu einem Ergebnis kommen." Der Gipfel markiert den Schlusspunkt der sechsmonatigen deutschen Ratspräsidentschaft.

Barroso forderte ein Ende der Hängepartie. "Wir sollten das Thema Verfassung endlich vom Tisch haben", sagte er der Süddeutschen Zeitung. Bei einem Scheitern des Gipfels wäre die Glaubwürdigkeit Europas schwer beschädigt. Polens Beharren auf mehr Einfluss bei EU-Entscheidungen sei nicht hilfreich.

Außenminister Frank-Walter Steinmeier hielt es für wenig wahrscheinlich, dass Polen sich mit seiner Forderung durchsetzt. Die Warschauer Regierung sei im EU-Verfassungsstreit isoliert, sagte der SPD-Politiker der Frankfurter Rundschau.

Niemand außer Polen wolle das bereits vereinbarte Paket zur Stimmengewichtung noch einmal aufschnüren. Die deutsche EU-Ratspräsidentschaft sei nicht nur denen verpflichtet, die Änderungen am vorliegenden Vertragstext forderten, sondern auch jenen 18 Staaten, die das Vertragswerk schon ratifiziert hätten.

"Ich hoffe, dass wir schon beim Treffen der Außenminister am Sonntag und Montag in Luxemburg das eine oder andere klarstellen und damit die Zahl der wirklich harten offenen Fragen entscheidend begrenzen können."

Verheugen warnt vor Scheitern

Als Fortschritt war gewertet worden, dass Polens Ministerpräsident und Zwillingsbruder des Präsidenten, Jaroslaw Kaczynski, am Freitag von der Drohung mit einem Veto gegen den geplanten Verfassungsvertrag abgerückt ist.

Der Vizechef der EU-Kommission, Günter Verheugen, warnte nachdrücklich vor einem Scheitern des Vertrags. "Dies würde sehr negative politische, aber auch wirtschaftliche Folgen für Europa haben und die starke ökonomische Position Europas gefährden", sagte der Sozialdemokrat der Zeitung Die Welt.

Ohne bessere Entscheidungsverfahren und eine klare Verteilung der Zuständigkeiten, wie sie der neue Vertrag vorsehe, werde es die EU künftig schwer haben, sich in handelspolitischen Fragen, aber auch bei den Themen Energieeffizienz und Klimawandel durchzusetzen.

Am Sonntag kommt Merkel in Meseberg auch mit Tschechiens Ministerpräsident Mirek Topolanek zusammen. Die tschechische Regierung steht jeder tiefer gehenden Integration in der EU eher ablehnend gegenüber und will die Einflussmöglichkeiten nationaler Regierungen möglichst weitgehend erhalten. Am Abend trifft Merkel in Luxemburg den Premierminister Jean-Claude Juncker.

In ihrer Videobotschaft zog Merkel zwei Wochen vor Ende der deutschen EU-Ratspräsidentschaft eine positive Bilanz. Zu den Erfolgen zählte sie die Senkung der Roaminggebühren für den Mobilfunk, die Vereinfachung des Zahlungsverkehrs zwischen den EU-Mitgliedstaaten, die Ausweitung des Schengener Abkommens und die Beschlüsse zum Klimaschutz. Am 30. Juni endet der deutsche Vorsitz nach einem halben Jahr. Am 1. Juli übernimmt Portugal die Ratspräsidentschaft.

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