EU-Reformvertrag:Von Prag nach Dublin

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Der Senat in Tschechien akzeptiert endlich den EU-Reformvertrag - und wendete erheblichen Schaden vom Land ab. Nun liegt alle Last bei den Iren.

Martin Winter

Das Desaster ist abgewendet. Europa kann tief durchatmen. Der Reformvertrag von Lissabon hat nun eine realistische Chance, in absehbarer Zeit in Kraft zu treten. Die Politiker in Prag sind nach einigem Hin und Her ihrer europapolitischen Vernunft gefolgt. Selbst wenn nicht alle den Vertrag mögen, war die Furcht doch zu groß, die Verantwortung für einen schweren europapolitischen Rückschlag zugeschoben zu bekommen, die für das kleine Tschechien auf Dauer zu tragen zu schwer gewesen wäre.

Sechs Stunden dauerte die Debatte, dann stimmte die Mehrheit der Senatoren dem EU-Vertrag zu. (Foto: Foto: dpa)

Außerdem haben die Senatoren wohl auch begriffen, dass ein Nein dem eigenen Land erheblichen Schaden zugefügt hätte. Tschechien wäre in eine politische Isolation geraten. Das wiegt schwerer als ideologische Bauchschmerzen, die allemal vom Staatspräsidenten ausführlich genug ausgelebt worden waren.

Mit der Entscheidung von Prag biegt die EU auf ihrem langen Hindernislauf zur Reform nach einem knappen Jahrzehnt nun endlich auf die Zielgerade ein. Wenn es das deutsche Verfassungsgericht noch vor der Sommerpause schafft, ein Urteil über den Vertrag zu fällen und ihn damit passieren zu lassen, dann bleibt nur noch ein Stolperstein: Irland. Die Iren haben im vergangenen Jahr in einer ersten Volksabstimmung den Vertrag abgelehnt. Wenn nun alle anderen Länder dem Vertrag politisch zugestimmt haben, dann steht Irland vor einer schweren Entscheidung.

Die anderen 26 Mitgliedstaaten haben es Dublin leicht gemacht, ein zweites Referendum zu wagen. Sie sind irischen Befürchtungen, auch wenn sie sachlich unbegründet waren, weit entgegengekommen. So soll etwa ausdrücklich Irlands Neutralität respektiert werden. Und die Angst, dass Dublin einmal seinen Sitz in der EU-Kommission verlieren könnte, wurde durch den Beschluss ausgeräumt, dass jedes Land immer einen Kommissar stellen werde.

Man kann sich natürlich fragen, warum den Iren eine Extrawurst gebraten wird. Die Antwort ist einfach: Der Lissabon-Vertrag ist für die Funktionsfähigkeit der Europäischen Union in einer sich radikal verändernden Welt von zu zentraler Bedeutung, als dass man ihn scheitern lassen dürfte. Mit ihren alten Strukturen ist die EU einfach nicht mehr handlungsfähig, gemessen an den Problemen, die täglich hereinprasseln.

Nun liegt es an den anderen Mitgliedstaaten der EU, den Iren nicht nur Versprechungen zu machen, sondern sie auch auf einen Fahrplan zu verpflichten. Die EU kann nicht bis zum Sankt Nimmerleinstag warten. Genau besehen muss der Vertrag Ende Oktober akzeptiert und hinterlegt sein, denn dann endet die Dienstzeit der Kommission, und die neue muss aus politischen wie aus komplizierten vertragsrechtlichen Gründen schon nach dem neuen Vertrag berufen werden. Spätestens Mitte Oktober also müssen die Iren abstimmen. Gelingt das nicht, dann wird die Reform wieder um mindestens fünf Jahre verschoben. Das könnte dann ihr Ende sein.

© SZ vom 7.5.2009/vw - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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