EU-Reformvertrag:Die wichtigsten Neuregelungen

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Symbolik raus, Kompromisse rein: Was der EU-Reformvertrag im Einzelnen festschreibt. Eine Zusammenfassung.

Der EU-Gipfel in Lissabon hat in der Nacht zum Freitag den Reformvertrag für Europa angenommen, der die Union demokratischer und effizienter machen soll. Der "Vertrag von Lissabon" ersetzt die gescheiterte EU-Verfassung und verzichtet auf die Nennung von EU-Symbolen.

Er soll am 13. Dezember unterzeichnet und dann bis zu den Europawahlen 2009 von den Mitgliedstaaten ratifiziert werden.

Ein Überblick über die wichtigsten Bestimmungen:

Mehrheitsentscheidungen EU-Beschlüsse werden dadurch erleichtert, dass künftig in vielen Fällen der Zwang zur Einstimmigkeit entfällt. Die Entscheidungen mit qualifizierter Mehrheit werden auf mehrere Dutzend neue Bereiche ausgedehnt, vor allem bei der polizeilichen und Justiz-Zusammenarbeit. In sensiblen Gebieten wie der Außen-, Steuer- und Sozialpolitik sowie bei Änderung von EU-Verträgen gilt aber weiter das Prinzip der Einstimmigkeit.

Prinzip der doppelten Mehrheit: Beim Abstimmungsverfahren in der EU gilt ab dem Jahr 2014 mit einer Übergangsfrist bis 2017 das Prinzip der doppelten Mehrheit. Danach erfordern EU-Beschlüsse im Ministerrat eine Mehrheit von 55 Prozent der Staaten, die 65 Prozent der Bevölkerung auf sich vereinen. Bis dahin gilt weiter das im Vertrag von Nizza festgelegte komplizierte System der qualifizierten Mehrheit.

Repräsentation nach außen Die EU bekommt einen Hohen Repräsentanten der Union für Außen- und Sicherheitspolitik. In seinem Amt werden die Funktionen des bisherigen EU-Außenbeauftragten und des EU-Außenkommissars gebündelt. Er ist Vize-Präsident der Kommission und erhält einen diplomatischen Dienst.

EU-Ratspräsident Die EU erhält einen Ratsvorsitzenden, dessen Amtszeit zweieinhalb Jahre beträgt. Der EU-Präsident bereitet unter anderem die Gipfeltreffen vor. Diese Neuerung soll mehr Kontinuität in die politischen Führung der Union bringen. Bisher wechselt der Vorsitz alle sechs Monate unter den Mitgliedsländern mit der Ratspräsidentschaft. Diese Rotation bleibt bestehen, so dass die Vorsitzenden der Ministerräte halbjährlich rotieren.

Verkleinerte Kommisssion Die EU-Kommission wird verkleinert. Von 2014 an sind in Brüssel nicht mehr alle, sondern abwechselnd nur noch zwei Drittel der Mitgliedstaaten mit einem Kommissar vertreten. Die EU-Kommission muss künftig ihre Gesetzesvorschläge überprüfen und stichhaltig begründen, wenn dies mehr als die Hälfte der Parlamente der Mitgliedstaaten verlangt.

Kleineres Parlament mit Extra-Sitz für Italien Das EU-Parlament wird von 2009 an nur noch 750 statt bisher 785 Sitze umfassen. Wegen eines Kompromisses mit Italien verliert der Parlamentspräsident sein Stimmrecht, das er aber bereits jetzt in der Praxis nicht ausübte. Das Parlament erhält erstmals ein Mitspracherecht in den wichtigen Fragen der Justizzusammenarbeit, der inneren Sicherheit und der illegalen Einwanderung.

Austritt Der Vertrag sieht erstmals die Möglichkeit eines Austritts aus der Europäischen Union vor. Der austretende Staat muss die Bedingungen mit den EU-Partnern aushandeln.

Einspruchsrecht Die nationalen Parlamente werden künftig acht statt bisher sechs Wochen vor einem geplanten Rechtsakt der EU informiert und können Einspruch erheben, wenn sie nationale Zuständigkeiten gefährdet sehen. Das Europäische Parlament entscheidet künftig gemeinsam mit dem Rat über fast alle Regulierungen. Das Parlament wählt auch den Präsidenten der Kommission.

Volksbegehren Mit mindestens einer Million Unterschriften können Bürger künftig die EU-Kommission auffordern, Gesetzesvorschläge zu machen. Die Kommission ist dazu allerdings nicht verpflichtet.

Grundrechtecharta Durch einen Verweis im Reformvertrag wird die Grundrechtecharta aus dem Jahr 2000 rechtsverbindlich. Die Charta legt in 54 Artikeln die Bürgerrechte wie Meinungsfreiheit und das Recht auf gute Verwaltung fest.

© AFP/Reuters - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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