EU-Referendum:Auf Holland hoffen

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Allein die Niederländer können die Krise in der EU noch stoppen - wahrscheinlich ist das nicht. Ein Kommentar von Stefan Kornelius

Nach dem Referendum ist vor dem Referendum in Europa, doch wenn sich der Trend fortsetzt, dann wird nach der Befragung der Niederländer am Mittwoch gar keine Abstimmung mehr nötig sein zum Verfassungs-Vertrag.

Dann ist diese Verfassung nämlich tot. Tony Blair kann eine Volksabstimmung in diesem Klima nur wollen, wenn ihn der Wunsch nach politischem Selbstmord treibt.

So also hat die Abstimmung in Frankreich die Politik, vielleicht gar die Geschichte verändert: Die große europäische Gründernation Frankreich will dieses Europa nicht mehr.

Die letzten Nägel im Sarg

Die kleine europäische Gründernation Niederlande wird sich diesem Wunsch wohl anschließen. Und die Briten werden die letzten Nägel in den Sarg klopfen.

Bleibt die Frage: Warum gelingt es der politischen Elite aus der linken bis rechten Mitte dieser Länder nicht, die Mehrheit der Menschen von den Vorzügen der Verfassung zu überzeugen? Immerhin wird die EU ohne die Verfassung nicht mehr richtig funktionieren.

Und das kann keiner wollen, der noch einen Funken Interesse an Europas politischer und ökonomischer Kraft hat, und der an die historische Bedeutung der EU als europäische Friedensmaschine glaubt.

Die Antwort: Den Nein-Sagern ist ihr politischer Alltag näher als eine völkerversöhnende Philosophie. Europa ist zu weit weg, zu abgehoben, zu sehr ein Projekt der Hirne als der Herzen. Außerdem: Wer die Verfassung ablehnt, kennt sie meistens nicht.

Wer sie ablehnt, protestiert gegen innen- oder wirtschaftspolitische Missstände und gegen die herrschende Klasse im eigenen Land. Europa ist ein billiges Opfer - wird ja nicht so schlimm sein.

Es gäbe noch Hoffnung

Ist es aber doch, was die reichlich kopflose Reaktion nach dem französischen Referendum zeigt. Bis Mittwoch heißt die Parole: still halten und auf Holland hoffen. Sollten die Niederländer den Trend wenden, dann gäbe es noch ein Fünkchen Hoffnung.

Dann wäre all die mühselige Verfassungsarbeit nicht sofort Makulatur. Sollten die Niederländer aber ebenfalls die Verfassung ablehnen, dann nutzt alle Beschwörung nichts mehr. Dann ist Europa in seine größte anzunehmende Krise geraten.

Die zwei Schlüsselnationen Deutschland und Frankreich sind handlungsunfähig - Deutschland wählt, und die Franzosen haben ihrem Präsidenten gerade mitgeteilt, dass sie ihn eigentlich gerne los wären. Der britische Premier wird die Kraft zum Retter nicht haben.

Überforderter Blair

Es reicht schon, dass Tony Blair möglicherweise die EU-Budgetverhandlungen zu Ende bringen muss - schon diese Aufgabe wird ihn überfordern. All den anderen EU-Nationen fehlt der Korpsgeist, der bisher den Nationalismus zu überwinden half und die Gemeinschaft beflügelte.

Diese Gemeinschaft ist nun zu groß geraten, als dass sie noch von Stimmungen zu steuern wäre. Es rächt sich, dass die EU mit Gewalt vergrößert wurde, ehe die Satzung für den neuen Verein geschrieben war.

© SZ vom 31.5.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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