EU-Osterweiterung:Gemeinsam gegen die Blamage

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Es bleibt dabei: Bulgarien und Rumänien dürfen Anfang 2007 der EU beitreten. Die Kommission lässt die beiden Länder aber nacharbeiten - und vermeidet so den Eklat.

Klaus Brill

Es gibt keinen Rabatt für Rumänien und Bulgarien, aber die beiden EU-Bewerber müssen sich auch nicht vor der Blamage fürchten, die eine Verschiebung ihres Beitritts darstellen würde.

Die EU-Kommission hat grünes Licht gegeben: Rumänien und Bulgarien dürfen Anfang 2007 beitreten. (Foto: Foto: dpa)

Das Verfahren, das die EU-Kommission jetzt in Straßburg zur Bewertung der Beitrittsreife beider Balkanstaaten gefunden hat, vereinbart mit nahezu salomonischer Weisheit die widerstrebenden Interessen.

Zugleich vermeidet es den Eklat, den ein offenes Zerwürfnis über die Terminfrage heraufbeschwören könnte.

Politisch ist aufgrund der Absichtserklärungen verschiedener Länder ohnehin längst klar: die 25 Staats- und Regierungschefs der EU werden Rumänien und Bulgarien wie geplant zum 1. Januar 2007 als neue Mitglieder willkommen heißen.

Zeit der Prüfungen verlängert

Die notwendige Einmütigkeit für einen Aufschub um ein Jahr - im Falle Bulgariens wäre Einstimmigkeit erforderlich, bei Rumänien eine Zweidrittelmehrheit - wird vermutlich nicht zustande kommen, was immer die EU-Kommission auch empfiehlt.

Insoweit ist die jetzt gefundene Lösung vor allem ein offenbar notwendiger Versuch, die Zeit der Prüfungen und Forderungen um ein halbes Jahr zu verlängern. Die Regierungen in Sofia und Bukarest sollen bis zur letzten Minute nacharbeiten, um beispielsweise zur Bekämpfung der Korruption wirklich das Menschenmögliche zu tun, damit die erwarteten EU-Milliarden nicht in den falschen Taschen verschwinden.

Dies ist nicht nur im Interesse der EU und ihrer Bürger, sondern es nützt gerade auch den Menschen in Rumänien und Bulgarien, wenn ihre politischen Eliten gezwungen werden, alte und neue Strukturen der Selbstbedienung endgültig zu zerschlagen und die Einsetzung des Rechtsstaates unumkehrbar zu machen.

Der Knüppel bleibt im Sack

Andererseits bleibt der Knüppel der Beitrittsverschiebung im Sack. Sein Einsatz würde, mag er als eine Möglichkeit auch vereinbart worden sein, von vielen Bürgern in Rumänien und Bulgarien als demütigend empfunden.

Es würde sicher fürs Erste all den Schwung ins Leere laufen lassen, der aufgebaut und gerade unter dem Druck der vergangenen Monate noch verstärkt worden ist. Die EU-Mitgliedschaft ist für Bulgaren und Rumänen vor allem eine Hoffnung auf Überwindung der Rückständigkeit, zu der der Kommunismus sie verdammt hat.

Manch einer empfindet sie auch als eine Rückkehr in den Kreis der anderen Länder und als einen verdienten Akt ausgleichender historischer Gerechtigkeit.

Wer im Westen noch immer meint, Bulgarien und Rumänien bestünden nur aus Armut und Gewalt, der sollte nur ein Buch über die Geschichte beider Länder oder wenigstens einen Reisekatalog zur Hand nehmen. Auch in Deutschland wird die Sicht großteils durch Klischees geprägt.

Die sind nicht selten von ähnlicher Qualität, mit der gewisse Londoner Revolverblätter bis heute die Deutschen als ewige Nazis darstellen. Deshalb wird der eigentliche, der tiefer gehende kulturelle Aufnahmeprozess wohl erst beginnen, wenn der Beitritt vollzogen ist.

© SZ vom 17.5.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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