EU-Kommission:Lob für die Türkei

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Brüssel bescheinigt Ankara großen Reformeifer. Doch die EU-Kommission warnt Ankara, die fehlende Lösung des Zypern-Konflikts stelle "ein ernsthaftes Hindernis" für den Wunsch der Türkei dar, direkt nach dem Dezember 2004 offizielle Beitrittsverhandlungen mit der EU aufzunehmen.

(SZ vom 6.11.2003) - Die EU-Kommission bescheinigt der Türkei in ihrem jüngsten Fortschrittsbericht "große Entschlossenheit" bei der Beschleunigung ihres Reformkurses.

Damit habe Ankara bereits weitreichende politische Veränderungen erwirkt, heißt es in dem am Mittwoch in Brüssel vorgestellten Bericht. Gleichwohl kritisiert die Kommission, dass die Umsetzung zahlreicher Reformgesetze immer wieder durch Bürokratie und Justiz behindert werde.

Positiv hebt sie hervor, dass die erst vor einem Jahr gewählte Regierung von Tayyip Erdogan erstmals auch eine Reform des militärisch dominierten Nationalen Sicherheitsrats (NSR) angepackt habe. Der Report bemängelt aber, dass immer noch Militärs in Aufsichtsgremien für Rundfunk und Universitäten säßen.

Ausdrücklich kritisiert wird, dass Ankara nach wie vor mehrere Entschädigungsurteile des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs nicht umsetze. Erwähnt wird dabei auch der Prozess gegen die kurdische Ex-Abgeordnete Leyla Zana, dessen Wiederaufnahme bislang nur "in einer Wiederholung des ersten Verfahren" stecken geblieben sei.

Begrüßt werden die Erlaubnis für kurdisches Radio und Fernsehen, die Aufhebung des Ausnahmezustands in allen südöstlichen Provinzen und die Rückkehr eines vielfältigen kulturellen Lebens in die Städte der Region wie Diayarbakir oder Hakkari. Auch dürften inzwischen 82.000 Menschen in ihre Dörfer zurückkehren, aus denen sie während der Kämpfe zwischen Armee und kurdischer Guerilla vertrieben worden waren.

Es fehlten aber Geld für die Flüchtlinge und Entschädigungen für zerstörte Häuser. Auch bei der rechtlichen Gleichstellung christlicher Minderheiten sieht die EU Mängel.

Fehlende Lösung des Zypern-Konflikts

Teile des Berichts waren schon im Vorfeld bekannt geworden. Danach hatte Außenminister Abdullah Gül den Report objektiv genannt.

Für heftige Reaktionen in Ankara aber hatte die strenge Warnung Brüssels gesorgt, die fehlende Lösung des Zypern-Konflikts stelle "ein ernsthaftes Hindernis" für den Wunsch der Türkei dar, direkt nach dem Dezember 2004 offizielle Beitrittsverhandlungen mit der EU aufzunehmen.

Gül habe versucht, EU-Kommissar Günter Verheugen zu bewegen, diese Formulierung im Berichtsentwurf abzuschwächen, berichteten türkische Zeitungen.

In der Zusammenfassung des aktuellen Berichts liest sich die Passage tatsächlich weniger hart. Dort heißt es, die Türkei müsse "entschlossene Unterstützung" bei den Bemühungen zu einer umfassenden Zypern-Lösung zeigen. Türkische Kommentatoren urteilten sogar härter als die EU-Kommission. Die Zeitung Vatan schrieb, eine Überwindung der Zypern-Teilung werde auch durch "schmutzige Geldgeschäfte" im türkischen Norden der Insel behindert.

© Von Christiane Schlötzer - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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