EU-Gipfeltreffen in Brüssel:"Das ist wirklich einer der historischen Tage"

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Worum es geht für Europa, das ist allen Staats- und Regierungschefs klar, die mit ihren Außen- und Finanzministern nach Brüssel gekommen sind. Ob es am Ende zu einer Einigung über die EU-Verfassung kommt, bleibt allerdings offen.

Österreichs Regierungschef Schüssel brachte es auf den Punkt: "Das ist wirklich einer der historischen Tage, und ich hoffe, dass jeder die Notwendigkeit eines Kompromisses erkennt", sagte er, als er und seine Kollegen zum Auftakt des Gipfeltreffens in Brüssel zusammen kamen.

Einige wie Italiens Silvio Berlusconi sahen das Glas eher halbvoll: Von den rund 100 offenen Punkten seien 92 bereits gelöst. Diese Beschlüsse blieben erhalten, unabhängig vom Ausgang des Gipfels, sagte Berlusconi. Aber: "Wir haben Schwierigkeiten, weil jedes Land seine Interessen vertritt", nannte er die Probleme beim Namen.

Bundeskanzler Gerhard Schröder schränkte am Freitagmorgen in Brüssel ein: "Wir wollen eine Verfassung, aber diese Verfassung muss Substanz haben." Der niederländische Ministerpräsident Jan Peter Balkenende erklärte: "Das wird ein Kampf, aber wir wollen ein Ergebnis haben."

Auch der schwedische Ministerpräsident Göran Persson äußerte sich optimistisch. Es sei aber an der Zeit, sich die deutsche Position näher zu betrachten.

Streitfrage Stimmengewichtung

In Sachen Verfassung bleibt die Stimmengewichtung bei Mehrheitsentscheidungen die strittigste Frage. Während vor allem Deutschland und Frankreich auf der Umsetzung der im Konventsentwurf vorgesehenen doppelten Mehrheit bestehen, die die Bevölkerungszahl bei der Stimmengewichtung stärker berücksichtigt, wollen Polen und Spanien an dem umstrittenen Vertrag von Nizza festhalten, der ihnen Vorteile verschafft.

Vor dem Gipfel kamen Bundeskanzler Schröder, der britische Premierminister Tony Blair und der französische Staatspräsident Jacques Chirac zu einem separaten Arbeitsfrühstücks zusammen.

Großbritannien hat sich in der Frage der Stimmengewichtung noch nicht eindeutig festgelegt. Der polnische Ministerpräsident Leszek Miller hat aber mehrfach versucht, Blair auf seine Seite zu bringen.

Die Verhandlungen über die Verfassung sollten erst am späten Nachmittag beginnen. Zuvor wollten die EU-Chefs zunächst über andere Themen beraten. Dabei dürften eine Wachstumsinitiative zur Ankurbelung der Wirtschaft und die umstrittene US-Haltung beim Wiederaufbau Iraks im Mittelpunkt stehen.

An den Beratungen nehmen auch die EU-Außen- und Finanzminister teil. Der Ausgang des Treffens ist genauso ungewiss wie der Zeitpunkt, an dem der Gipfel endet.

Am Vorabend hatte Bundeskanzler Gerhard Schröder in der ARD nicht ausgeschlossen, dass die Eionigung auf die neue EU-Verfassung scheitern könne: "Das kann so sein".

Der derzeitige EU-Ratsvorsitzende, Italiens Ministerpräsident Silvio Berlusconi, zog die Möglichkeit eines Scheiterns ebenfalls in Betracht. Es wäre ein Wunder, wenn die Regierungskonferenz über die Verfassung noch unter der bis Ende des Jahres dauernden italienischen Präsidentschaft zu Stande käme, sagte Berlusconi.

Noch nie sei eine Regierungskonferenz innerhalb einer der nur sechs Monate dauernden EU-Präsidentschaften beendet worden.

"Verschiebung hätte keine katastrophalen Folgen"

EU-Kommissionspräsident Romano Prodi deutete die Möglichkeit an, dass Entscheidungen in zentralen Punkten des EU-Verfassungsentwurfs verschoben werden könnten.

Ein solcher Schritt wäre "eine Möglichkeit", sagte er am Vortag des Gipfels. "Eine Verschiebung hätte natürlich keine katastrophalen Folgen", sagte Prodi.

Unterdessen gibt es eine Verständigung zwischen der EU und der Nato über die europäische Verteidigungspolitik, deren Grundlage ebenfalls in der künftigen Verfassung beschrieben werden soll.

Die Nato, und damit auch die Vereinigten Staaten, begrüßten am Donnerstagabend, dass die Weiterentwicklung der EU-eigenen Militärpolitik sich nicht gegen das Atlantische Bündnis richten soll. Damit wird ein Streitpunkt beseitigt, der in der jüngsten Zeit das transatlantische Verhältnis getrübt hat.

© sueddeutsche.de/dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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