EU-Fördergelder:Ostländer auf den Barrikaden

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Der Streit um die EU-Strukturförderung für die neuen Bundesländer spitzt sich zu. Haushaltskommissarin Michaele Schreyer hatte angedroht, die Zahlungen an Ostdeutschland einzustellen, sollten die Beiträge der EU-Mitgliedsstaaten in diesem Jahr sinken. Die Reaktion der ostdeutschen Ministerpräsidenten ließ nicht auf sich warten.

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) warnte die EU-Kommission am Samstag vor Kürzungen bei der Förderung der ostdeutschen Länder. Er forderte Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) auf, sich stärker für die Interessen der neuen Länder einzusetzen.

Unterstützung des Bundeskanzlers gefordert

"Es sollte nicht so sein, dass diejenigen, die jetzt in der EU zu den Ärmsten zählen, benachteiligt werden, und zwar allein auf Grund eines statistischen Effekts. Und ich bin sicher, dass dieses Problem auch von von EU-Strukturkommissar Michel Barnier gesehen wird", sagte Böhmer der dpa in Magdeburg.

Zuvor hatte bereits Finanzminister Hans Eichel (SPD) "knallharte Verhandlungen" um Deutschlands Beitragszahlungen angekündigt. "Die Kommission kann uns nicht einerseits zu Sparauflagen zwingen und andererseits zusätzliche Milliarden-Überweisungen haben wollen. Das machen wir nicht mit", sagte Eichel der "Welt am Sonntag".

Althaus kritisiert Eichel

Auch Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus (CDU) sieht den Bund in der Pflicht. Die Regierung müsse bei ihren Entscheidungen Prioritäten für die neuen Länder setzen, die auf weitere Förderung angewiesen seien, sagte Althaus der dpa. Er warf Eichel vor, das Bemühen der EU-Kommission um eine Regelung für die neuen Länder zu ignorieren.

Bis 2006 gilt Ostdeutschland als "Ziel-1-Gebiet" und erhält damit die höchste Förderung. Die neuen Länder befürchten, dass sie durch den Beitritt ärmerer Länder aus dieser Kategorie herausfallen könnten, weil sie durch einen statistischen Effekt über 75 Prozent des EU-Durchschnitts beim Bruttoinlandsprodukt kommen könnten.

Ringstorff: Wir brauchen EU-Förderung für den Aufbau

EU- Haushaltskommissarin Michaele Schreyer warnte, dass der von Berlin und anderen Ländern geforderte Sparkurs die EU-Förderung der neuen Bundesländer bedrohen könne. "Wenn wir die EU-Ausgaben auf durchschnittlich ein Prozent der gemeinsamen Wirtschaftsleistung begrenzen, könnte Ostdeutschland ab 2007 keine Strukturfonds-Mittel mehr bekommen", sagte sie der "Financial Times Deutschland".

"Das Land hat in den vergangenen Jahren stark von der EU- Förderung profitiert. Wir brauchen sie auch weiterhin, um den Aufbau unseres Landes fortsetzen zu können", sagte Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Harald Ringstorff (SPD). Auch Sachsens Staatsregierung befürchtet, dass die neuen Länder quasi zwischen den struktur- und finanzstärkeren Gebieten im Westen und den "Förderhöchstgebieten" in den Beitrittsstaaten eingeklemmt werden. Zudem sinke der Anreiz für Großinvestoren, sich im Osten Deutschlands niederzulassen.

Wirtschaftsexperte gegen Strukturförderung

Der Ost-Experte des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH), Joachim Ragnitz, vertrat dagegen die Ansicht, Bund und Europäische Union könnten sich die umfassende Förderung immer weniger leisten. Ein Zurückfahren der EU-Förderung auf mittlere Sicht sei unabdingbar. Ein Beibehalten der jetzigen Förderung der Ostländer würde den Etat der Staatengemeinschaft zusätzlich belasten. "Dann muss jedes Land draufzahlen", sagte er. Deutschland ist jetzt schon der größte Nettozahler in der EU.

Befürchtungen, wonach die neuen Bundesländer angesichts der kurz bevorstehenden EU-Osterweiterung plötzlich nicht mehr bei ihrem wirtschaftlichen Aufholprozess unterstützt werden, teilte der Experte nicht. "Die neuen Länder fallen nicht ins Bodenlose. Einmal gibt es Übergangsregeln, und sonst wird vorübergehend der Bund einspringen müssen", sagte Ragnitz. "Die ostdeutschen Länder müssen lernen, auf eigenen Beinen zu stehen."

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