EU-Beitrittsverhandlungen:"Steinmeier darf sich nicht auf einen Basar-Handel mit der Türkei einlassen"

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Drei Tage vor dem EU-Gipfel ist ein heftiger Streit über die Türkei-Politik entbrannt. Und auch um die deutsche Position gibt es gehörig Aufregung.

Der heftige Streit über die Türkei-Politik droht den EU-Gipfel an diesem Donnerstag und Freitag in Brüssel zu belasten. Bei dem Treffen der Außenminister der 25 EU-Staaten am Montag in Brüssel seien unterschiedliche Auffassungen über die Verlangsamung der Beitrittsverhandlungen mit Ankara unversöhnlich aufeinander geprallt, sagten EU-Diplomaten.

Bayerischer Kritik ausgesetzt: Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) (Foto: Foto: dpa)

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier bezweifelte, dass es gelingen werde, einen Kompromiss zu erreichen: "Die Positionen einiger Mitgliedstaaten sind noch sehr weit auseinander." Ohne Einigung der Außenminister müssen die Staats- und Regierungschefs bei ihrem Gipfeltreffen entscheiden, wie die EU darauf reagiert, dass die Türkei nach wie vor Häfen und Flughäfen nicht für Schiffe und Flugzeuge aus Zypern öffnet.

Bayern greift den Außenminister an

Steinmeier forderte, die Debatte über die Türkei "mit Augenmaß und Vernunft und vor allem Verantwortung für die langfristigen Interessen Europas" zu führen. "Die Einbeziehung der Türkei in den europäischen Wertekanon ist ein Projekt von ganz herausragender Bedeutung. Und ich bin der Meinung, dass wir das, was in langen Jahren gewachsen ist, nicht innerhalb von wenigen Tagen zerstören sollten."

Dagegen forderte Bayerns Europaministerin Emilia Müller (CSU) eine härtere Gangart der Bundesregierung. Außenminister Steinmeier dürfe sich nicht auf einen Basar-Handel mit der Türkei einlassen, warnte Müller. "Steinmeier irrt, wenn er meint, dass es hier ein 'Weiter so' mit der Türkei geben könne", sagte die CSU-Politikerin.

Sie ermahnte den Außenminister: "Die klare Linie der Kanzlerin und die Grundsatzentscheidung der EU-Kommission, neue Verhandlungsrunden teilweise auszusetzen, dürfen nicht durch den Außenminister in Frage gestellt werden." In den Türkei-Verhandlungen stehe die Glaubwürdigkeit der EU auf dem Spiel.

Zuvor hatte der Chef der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Volker Kauder Äußerungen von Steinmeier zur Linie von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) als "völlig unnötig" zurückgewiesen. Steinmeier hatte Merkel vor einer Verschärfung ihres Kurses gewarnt.

Gül an EU: Nehmt uns nicht die Anreize weg

Unterdessen hat die EU-Kommission hat vorgeschlagen, acht von 35 Verhandlungsbereichen bis auf Weiteres auszusetzen. Spanien und Großbritannien halten dies für zu hart und schlagen drei Bereiche vor, die Niederlande fordern stattdessen eine Erhöhung auf zehn. Griechenland ist dafür, das Verhandlungstempo in noch mehr Bereichen zu verlangsamen.

Der finnische Außenminister Erkki Tuomioja als derzeitiger EU- Ratsvorsitzender mühte sich in stundenlangen Debatten mit seinen Kollegen, das Scheitern der Gipfel-Vorbereitung zu verhindern.

Der türkische Außenminister Abdullah Gül appellierte an die EU-Staaten, den Wandel der Türkei nicht zu gefährden. Die Verhandlungen über einen EU-Beitritt brächten "gewaltige Veränderungen" für die Türkei, schrieb Gül in der International Herald Tribune. "Man kann kein Interesse daran haben, die Anreize wegzunehmen. Die EU sollte die Bemühungen weiter fördern." Nicht die Erweiterung um die Türkei würde die EU schwächen, sondern die Abkehr von dieser Idee.

Luxemburg: Wir dürfen die Tür nicht komplett zuschließen

Die österreichische Außenministerin Ursula Plassnik sprach sich für ein langsameres Tempo der Beitrittsverhandlungen aus: "Ich glaube, dass wir mehrere Verhandlungsbereiche im Trockendock lassen müssen. Wir müssen Tempo herausnehmen."

Hingegen sagte der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn: "Wir müssen zeigen, dass wir kein Sammelsurium von nationalen Interessen sind. Wir dürfen die Tür nicht komplett zuschließen."

Die Türkei hat das so genannte Ankara-Protokoll, mit dem die Zollunion mit der EU auch auf die zehn jüngsten EU-Mitglieder einschließlich Zyperns ausgedehnt wird, zwar unterschrieben, aber nicht ratifiziert.

Ankara fordert im Gegenzug für die Öffnung von Häfen und Flughäfen für Transporte aus Zypern ein Ende der internationalen Isolierung des seit 1974 von türkischen Soldaten besetzten Nord-Zypern. Dies wird von der EU strikt abgelehnt.

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