EU-Beitrittsverhandlungen:Miserable Noten für die Türkei

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Der Fortschrittsbericht für die Türkei hat seinen Namen nicht verdient. Die EU-Kommission listet fast nur Mängel auf, die Ankara teuer zu stehen kommen könnten.

bosw

Am kommenden Mittwoch veröffentlicht die EU-Kommission den nächsten Fortschrittsbericht für die Türkei. Laut Financial Times (FT) listet die EU-Kommission in dem Bericht eine Reihe von Mängeln auf. Der härteste Vorwurf: "Kein Fortschritt wurde gemacht in der Normalisierung der bilateralen Beziehungen mit der Republik Zypern".

Der Bericht kritisiert, dass Ankara seine Häfen und Flughäfen nicht für zyprische Schiffe öffnet. Dazu ist es nach Ansicht der EU verpflichtet. Zypern hat bereits angedroht, alle weiteren Verhandlungen zu blockieren, bis die Türkei diese Bedingung erfüllt hat.

Die finnische EU-Ratspräsidentschaft bemüht sich nach Angaben des zyprischen Präsidenten Tassos Papadopoulos um ein informelles türkisch-zyprisches Treffen in Helsinki. Dabei sollten Wege gesucht werden, ein mögliches zyprisches Veto gegen die Fortsetzung der EU- Beitrittsverhandlungen mit der Türkei abzuwenden.

Eingeschränkte Meinungsfreiheit

EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn verübelt der türkischen Regierung laut FT darüber hinaus, dass sie keine Zugeständnisse in der Frage des umstrittenen Gesetzes über die "Verunglimpfung des Türkentums" machen will. Artikel 301 des türkischen Strafgesetzbuches stellt "Meinungsdelikte" wie etwa Kritik an den Massakern an den Armeniern vor rund 90 Jahren unter Strafe.

Mit diesem Artikel hat die türkische Justiz zahlreiche Schriftsteller und Journalisten verfolgt, unter ihnen auch den diesjährigen Literaturnobelpreisträger Orhan Pamuk.

Weiter heißt es laut FT in dem Entwurf für den Bericht, die Meinungsfreiheit sei in der Türkei weiter behindert, "Ermittlungen und Verurteilungen für die Äußerung gewaltfreier Meinung (...) sind ein Grund für ernsthafte Besorgnis".

Dem Zeitungsbericht zufolge kritisiert Rehn in dem für Mittwoch kommender Woche angekündigten Fortschrittsbericht, die Meinungsfreiheit sei weiter behindert, Verurteilungen wegen der Äußerung gewaltfreier Meinung seien "ein Grund für ernsthafte Besorgnis". Zudem gebe es Hinweise auf eine mangelnde Kontrolle der Armee, weil sich diese weiterhin "zu Innen- und Außenpolitik, der Kurdenfrage und der Trennung von Religion und Staat" äußere.

Während die FT auch von "Berichten über Fälle von Misshandlung und Folter, speziell außerhalb von Strafvollzugsanstalten" spricht, trifft dies nach Informationen der Süddeutschen Zeitung nicht zu. Im Gegenteil: Die Türkei habe in diesem Punkt Fortschritte gemacht.

Bayern: Beitrittsverhandlungen aussetzen

Den EU-Kreisen zufolge werden aber auch Fortschritte in dem Bericht genannt. Positiv hebe Erweiterungskommissar Rehn etwa die Annahme eines Gesetzespakets durch das türkische Parlament hervor. Dazu gehöre auch der Posten eines Ombudsmanns, der künftig Konflikte zwischen Staat und Bürgern regeln soll sowie bessere Vorschriften gegen die Diskriminierung von Minderheiten.

Eine Sprecherin der EU-Kommission wollte den Zeitungs-Artikel nicht kommentieren und verwies darauf, dass der Fortschrittsbericht am 8. November veröffentlicht wird.

Die bayerische Europaministerin Müller forderte, die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei auszusetzen. Die von der EU-Kommission festgestellten massiven Defizite zeigten klar, dass die Türkei nicht in die EU gehöre, sagte sie. "Die einzig richtige Konsequenz aus der Weigerung der Türkei, elementare rechtstaatliche und politische Grundsätze einzuhalten, kann nur sein, keine neuen Verhandlungskapitel mit der Türkei zu öffnen."

© sueddeutsche.de/dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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