EU-Beitritt der Türkei:Straßburg sagt ja

Lesezeit: 2 min

Das Europäische Parlament hat sich für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen "ohne unnötige Verzögerungen" ausgesprochen. Die Anerkennung Zyperns sei jedoch unabdingbare Voraussetzung.

407 Abgeordnete stimmten in Straßburg in geheimer Wahl dafür, 262 dagegen. Die Türkei wurde aufgerufen, weitere Reformen vorzunehmen und bereits beschlossene Gesetze umzusetzen. Die Abgeordneten betonten, dass die Verhandlungen nur nach einer Anerkennung Zyperns beginnen könnten. Das Votum des Parlamentes ist nicht bindend.

Europäische Regierungen gehen davon aus, dass der EU-Gipfel an diesem Donnerstag und Freitag in Brüssel die Aufnahme von Gesprächen beschließen wird.

Das erklärte etwa der niederländische Regierungschef und EU-Gipfelvorsitzende Jan Peter Balkenende am Mittwoch im niederländischen Parlament in Amsterdam.

"Auf Grundlage meiner Gespräche rechne ich mit einer Zustimmung, aber wir brauchen eine einstimmige Entscheidung", sagte er.

Auch EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Durao Barroso forderte die Staats- und Regierungschefs zu Beitrittsverhandlungen auf. Der EU-Gipfel müsse die türkischen Anstrengungen belohnen und Verhandlungen beschließen, sagte Barroso im EU-Parlament. "Es sollte ein klares Datum vorgesehen werden."

Die Bundesregierung zeigte sich am Mittwoch sehr optimistisch, dass der Gipfel zu einem gemeinsamen Ergebnis führt. Die Entscheidung über Beitrittsverhandlungen "wird ja lauten", hieß es im Kanzleramt.

Der Termin für den Beginn werde im Jahr 2005 liegen, aus Rücksicht auf Referenden über die EU-Verfassung etwa in Frankreich, aber voraussichtlich in der zweiten Jahreshälfte.

In Regierungskreisen wurde zudem klar gestellt, dass man in dieser Woche für das Abschlussdokument nur eine Formulierung akzeptieren werde, die als Ziel der Verhandlungen den Beitritt der Türkei vorsehe.

Forderungen Österreichs und Dänemarks wie auch von CDU und CSU, eine privilegierte Partnerschaft als Alternativziel zu nennen, wurden in Berlin abgelehnt.

In Anspielung auf Ankündigungen aus der Union, einen Beitritt der Türkei verhindern zu wollen, hieß es im Kanzleramt, dies sei kaum möglich. "Entscheidungen, die der Europäische Rat getroffen hat, sind auch für nachfolgende Regierungen verbindlich."

Hoffen auf ein Protokoll

Zu der Zypern-Frage hieß es in Kreisen der niederländischen Ratspräsidentschaft, man erwarte, dass die Türkei das so genannte Protokoll von Ankara unterzeichnet.

Dieses sieht die Ausweitung der Zollunion zwischen der Türkei und der EU auf die zehn neuen Mitgliedstaaten vor. Da Zypern unter diesen Staaten ist, hätte die Türkei das Land mit Billigung des Protokolls faktisch anerkannt. Ankara solle während des Gipfeltreffens unterschreiben.

Zypern hatte die Anerkennung durch die Türkei bislang zur Bedingung für Verhandlungen gemacht. In der Bundesregierung hieß es, man erwarte, dass die Türkei und Zypern Schritte aufeinander zu machten.

Dies werde sich aber voraussichtlich nicht als explizite Bedingung im Schlussdokument wiederfinden. Ein mögliches Signal der Annäherung könne die Unterzeichnung des Zollunionsprotokolls sein.

Beide Seiten würden sich im Falle von Beitrittsgesprächen als Verhandlungspartner begegnen. Deshalb müsse "das Verhältnis weiter entwickelt werden", hieß es.

© SZ vom 16.12.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: