EU-Beitritt der Türkei:"Alles unternehmen, damit die Türkei kein Vollmitglied wird"

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Die Union werde im Falle einer von ihr geführten Bundesregierung von 2006 alles gegen eine Vollmitgliedschaft der Türkei tun, so der CSU-Vorsitzendende Stoiber. Der türkische Ministerpräsident Erdogan kritisierte die ablehnende Haltung scharf und sprach von Diskriminierung.

Die Opposition in Deutschland scheine zu glauben, mit dem Beitrittswunsch der Türkei könne man Innenpolitik machen, attackierte Erdogan die Unionsparteien in der Bild am Sonntag. "Das kann man durchaus Diskriminierung nennen."

Ein EU-Beitritt der Türkei sei nur dann problematisch, wenn sich Europa als "Christen-Club" begreife. In einer europäischen Wertegemeinschaft habe die Türkei sehr wohl ihren Platz, bekräftigte Erdogan.

In einem Antrag mit dem Titel "Probleme mit der Türkei nicht ausblenden", den die Unionsfraktion am Montag im Bundestag einbringen will, heißt es nach einem Bericht der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, allein durch die Beitrittsperspektive der Türkei drohe Deutschland ein Anstieg von Bandenkriminalität, islamistischer Bedrohung und terroristischer Gefahr.

"Festgezurrte Scheuklappen"

Die rot-grüne Koalition handele "blauäugig" mit ihrer Unterstützung Ankaras, sagte der innenpolitische Unionsfraktionssprecher Hartmut Koschyk: "Die Bundesregierung galoppiert mit festgezurrten Scheuklappen ihrem Ziel Vollmitgliedschaft der Türkei entgegen."

Zu Beitrittsverhandlungen mit der Türkei sagte Stoiber: "Auf jeden Fall wird eine von uns geführte Bundesregierung ab 2006 gemeinsam mit unseren Partnern, etwa mit Frankreich, alles unternehmen, damit die Türkei kein Vollmitglied der EU wird."

Zur Kritik des türkischen Ministerpräsidenten Erdogan sagte der CSU-Chef: "Herr Erdogan soll wissen, dass (die CDU-Vorsitzende) Angela Merkel und ich gemeinsam alle Anstrengungen unternehmen werden, dass am 17. Dezember in Brüssel ein Beschluss gefasst wird, der zu einer wirklich ergebnisoffenen Verhandlung mit der Türkei führt."

Am Donnerstag und Freitag entscheiden die EU-Staats- und Regierungschef bei einem Treffen in Brüssel über Beitrittsverhandlungen mit der Türkei.

"Europa nicht überfordern"

Ziel von CDU und CSU sei die privilegierte Partnerschaft, "weil wir Europa nicht überfordern dürfen", sagte Stoiber.

Der türkische Ministerpräsident Erdogan lehnte dagegen eine solche Regelung erneut rundweg ab: "Für die Regierung in Ankara kommt nichts anderes in Frage als eine Vollmitgliedschaft. Eine privilegierte Partnerschaft würden wir niemals hinnehmen", sagte er der und griff die Unionsparteien scharf an: "Leider scheint die Opposition Bild am Sonntag in Deutschland zu glauben, mit unserem Beitrittswunsch könne man Innenpolitik machen." Das halte er für einen verhängnisvollen Fehler.

Das Kabinett von Bundeskanzler Gerhard Schröder lobte Erdogan dagegen ausdrücklich. Kein anderes Land habe 41 Jahre an der Tür zur Europäischen Union warten müssen.

Jetzt seien alle Vorgaben erfüllt und die Verhandlungen müssten schnellstmöglich aufgenommen werden. Der Terrorismus könne "nur besiegt werden, wenn ganz Europa zusammensteht und seine Anstrengungen aufeinander abstimmt", betonte der Ministerpräsident.

Ein Nein zum EU-Beitritt "würde das verheerende Signal setzen, dass Europa keinen großen Wert auf eine Verständigung der Kulturen legt".

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