EU-Außengrenze:Die türkische Karte

Lesezeit: 2 min

Neuer Plan: Eine Kerngruppe von EU-Ländern soll bis zu einer Viertelmillion Asylsuchende aus der Türkei aufnehmen - und die übrigen wieder zurückschicken, schlagen die Niederlande vor. Die Kosten soll die gesamte Union tragen.

Die Niederlande arbeiten an einem neuen Flüchtlingsplan, der die Aufnahme von bis zu 250 000 Asylsuchenden aus der Türkei in einer Kerngruppe von EU-Mitgliedstaaten vorsieht. Im Gegenzug sollten jene, die mit Booten nach Griechenland kommen, mit Fähren wieder in die Türkei zurückgeschickt werden können. Der Plan werde in mehreren EU-Staaten ausgearbeitet, darunter in Deutschland, sagte der Fraktionschef der regierenden niederländischen Sozialdemokraten, Diederik Samsom, der Zeitung De Volkskrant. Die Kerngruppe soll nach Vorstellungen der Niederländer die Flüchtlinge freiwillig aufnehmen. Die Kosten dafür müsse aber die gesamte Union zahlen, sagte Samsom. Die Niederlande haben zurzeit die EU-Ratspräsidentschaft inne.

"Jetzt gibt es eine Art Schnellstraße zwischen Griechenland und der Türkei."

Tatsächlich gibt es seit Längerem Planspiele, in denen die Türkei sich verpflichten würde, Flüchtlinge aus Griechenland aufzunehmen. Dem liegt die Einschätzung zugrunde, dass die meisten Flüchtlinge ohnehin nicht davon abgehalten werden können, aus der Türkei auf die nahegelegenen griechischen Inseln überzusetzen. Allerdings hätten alle Überlegungen zur Voraussetzung, dass die Türkei als sicherer Drittstaat anerkannt wird, auch von den Griechen. Die Türkei wiederum müsste sich verpflichten, die Genfer Flüchtlingskonvention in vollem Umfang anzuerkennen. Das Land gehört zwar zu den Unterzeichnerstaaten der Flüchtlingskonvention von 1951. Aber die Türkei hatte einen nicht unerheblichen Vorbehalt: Nur Europäer können danach in der Türkei als Flüchtlinge anerkannt werden. Geflohene Syrer fallen nicht unter die Flüchtlingskategorie.

"Jetzt wurde eine Art Schnellstraße zwischen Griechenland und der Türkei geschaffen, das müssen wir stoppen", sagte Samsom im niederländischen Rundfunk. Samsom und der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte hätten darüber bereits intensiv mit Deutschland, Schweden und Österreich beraten. Die Hoffnung sei, dass sich Frankreich, Spanien und Portugal der Idee anschlössen und auch Großbritannien bereit sei, Flüchtlinge aufzunehmen. Von den Grünen im EU-Parlament kam freilich Widerspruch. Die Grünen-Abgeordnete Barbara Lochbihler sagte, die niederländischen Pläne seien vom Völkerrecht nicht mal im Ansatz gedeckt.

Eine offene Frage ist, ob der niederländische Vorschlag tatsächlich die Chance hat, Grundlage für eine Vereinbarung zu werden, die Griechenland und die Türkei einbindet. Mit welchem Einsatz gerade hinter den Kulissen gespielt wird, zeigt ein anderer Vorschlag, der gerade in Brüssel zirkuliert. Demnach könnten Angehörige der europäischen Grenzschutzbehörde Frontex nach Mazedonien geschickt werden, um dort die Grenze nach Griechenland abzuriegeln und Flüchtlinge an der Weiterfahrt nach Norden zu hindern. Das dürfte als Drohung gegenüber Athen gedacht sein, um es in der Flüchtlingsfrage zu mehr Kooperation zu bewegen.

© SZ vom 29.01.2016 / SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: