Erster Prozess am Weltgerichtshof:Signalwirkung in Den Haag

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Von Montag an muss sich der ehemalige Milizenchef Lubanga wegen Kriegsverbrechen im Kongo verantworten. Es ist der erste Prozess am Haager Weltgerichtshof und er kann Weichen stellen.

Judith Raupp

Er soll einer der schlimmsten Kriegsverbrecher im Osten des Kongo gewesen sein. Der ehemalige Milizenchef Thomas Lubanga Dyilo, 48, sei verantwortlich für Massaker an der Zivilbevölkerung, Vergewaltigungen, Folter und Plünderungen, sagt Param-Preet Singh von der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch.

Und er habe in dem ethnisch motivierten Krieg, den Lubangas Volk der Hema gegen die Lendu von 2002 bis 2003 führten, Kinder zum Töten gezwungen. Letzteres könnte Lubanga für einige Jahrzehnte hinter Gitter bringen. Von Montag an muss er sich wegen der Rekrutierung und des Einsatzes von Kindersoldaten vor dem Internationalen Strafgerichtshof (ICC) in Den Haag verantworten.

Das Verfahren entfaltet große Signalwirkung. Denn es ist der erste Prozess am Weltgerichtshof. 2002 nahm er seine Arbeit auf, nachdem sich nach jahrzehntelangen Diskussionen 108 Staaten in den Statuten von Rom darauf verständigt hatten, das Gremium einzurichten. Es soll Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen ahnden.

Vergeltung für die Opfer

Im Vordergrund steht die Vergeltung für die Opfer. Außerdem soll das Weltgericht potentielle Täter, auch amtierende Gewaltherrscher, abschrecken. Anders als die meisten westlichen Länder haben die Vereinigten Staaten das Gericht bisher nicht anerkannt, was seiner Reputation geschadet hat. Menschenrechtler hoffen nun, dass der neue Präsident Barack Obama diesen Kurs ändert.

Der Prozess gegen Lubanga wäre beinahe noch vor seinem Beginn gescheitert. Das Gericht hatte bemängelt, dass ICC-Chefankläger Luis Moreno-Ocampo die Beweisakten geheim hielt. Lubangas Verteidiger müssten Einblick bekommen, damit ein faires Verfahren möglich sei, betonte das Gericht.

Moreno-Ocampo hatte aber viele Hinweise von Mitarbeitern der Vereinten Nationen bekommen, die auf Vertraulichkeit beharrten. Sie sahen sonst ihre Arbeit im Kongo gefährdet. Schließlich erhielt die Verteidigung Einblick, während die Namen der Zeugen geschützt blieben.

"Ich hoffe, dass dieses Verfahren die Aufmerksamkeit der Welt darauf lenkt, dass noch immer das Leben Tausender Kinder zerstört wird", sagte ICC-Chefankläger Moreno-Ocampo vor dem Prozessauftakt.

Nach Beobachtungen von Menschenrechtsorganisationen werden in mindestens fünfzehn Ländern Kinder zum Soldatendasein gezwungen. Darunter sind neben der Demokratischen Republik Kongo auch Indien, der Irak, Afghanistan, die Palästinensergebiete, Kolumbien und Thailand.

Human Rights Watch kritisiert allerdings, dass Lubanga sich nicht für alle Verbrechen verantworten müsse, die er vermutlich beging. Es sei zudem wichtig, auch die Drahtzieher des damaligen Konflikts im Distrikt Ituri zur Rechenschaft zu ziehen. Dazu gehörten hochrangige Politiker aus dem Kongo, aus Ruanda und Uganda.

Der ICC hat neben dem Haftbefehl gegen Lubanga elf weitere gegen Kriegsherren aus dem Kongo, Uganda, Zentralafrika und dem Sudan ausgestellt. Moreno-Ocampo hat zudem einen Haftbefehl gegen den amtierenden Präsidenten des Sudan, Omar al-Bashir, beantragt.

In den nächsten Wochen werden die Richter darüber entscheiden. Der Antrag ist umstritten. Kritiker befürchten, er könne Friedensverhandlungen für Darfur noch mehr erschweren.

© SZ vom 24.01.2009/cag - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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