Erdrutschsieg für Frankreichs Linke:Wahlergebnis ist eine "Rote Karte" für Chirac

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Nach dem Desaster des bürgerlichen Lagers bei den Regionalwahlen fordern die Sozialisten die Regierung auf, Einschnitte im Gesundheits- und Sozialwesen zurückzunehmen. In den nächsten Tagen wird Präsident Chirac über einen Umbau des Kabinetts entscheiden.

Nach dem Desaster des bürgerlichen Lagers bei den Regionalwahlen steht Frankreich vor einer raschen und umfassenden Umbildung der Regierung von Premierminister Jean-Pierre Raffarin.

Präsident Jacques Chirac will "in den nächsten Tagen entscheiden", welche Weichen er als Konsequenz aus dem triumphalen Erfolg der Linken neu stellt. Das teilte der Elysée-Palast am Montag mit.

Chirac arbeite "gemeinsam mit dem Premierminister daran". Das dramatische Ausmaß des linken Erdrutschsieges bei den Wahlen in den 26 Regionen könnte Raffarins Ablösung bedeuten.

Als mögliche Nachfolger für Raffarin sind bereits Innenminister Nicolas Sarkozy, Verteidigungsministerin Michèle Alliot-Marie und Außenminister Dominique de Villepin im Gespräch.

Sarkozy ist der mit Abstand populärste Minister. Er hat aber ein unterkühltes Verhältnis zu Chirac und Ambitionen, diesen bei der Wahl 2007 im Amt abzulösen.

Sozialisten stellen Chirac selbst in Frage

Der sozialistische Parteichef François Hollande, einer der großen Gewinner der Wahl, sagte am Montag, das Wahlergebnis stelle Chirac direkt in Frage. "Er hat Raffarin ausgewählt und die Politik der vergangenen beiden Jahre, er ist also bestraft worden", sagte er.

Die Sozialisten fordern die Regierung auf, als Lehre aus der "Roten Karte" des Wählers die Einschnitte im Gesundheits- und Sozialwesen zurückzunehmen. Die Linke hatte die Macht in der Nationalversammlung im Frühjahr 2002 klar verloren.

Die vereinigte Linke hat nach den letzten Zwischenergebnissen des Innenministeriums mit 50,36 Prozent erstmals seit der Wiederwahl von Staatspräsident François Mitterrand im Jahre 1988 bei einer Wahl die absolute Mehrheit errungen.

In nahezu allen 21 Regionen auf dem europäischen Festland setzte sich die Linke durch. Nur im Elsaß verteidigten die Bürgerlichen ihre Position. Die Konservativen haben die schwere Niederlage eingestanden, gleichzeitig aber unterstrichen, dass die Spar- und Reformpolitik unbedingt fortgesetzt werden müsse.

Selbst traditionell bürgerliche Hochburgen gingen bei der Stichwahl an die Linke. Die westfranzösische Region Poitou-Charente, deren Präsident Raffarin 14 Jahre lange gewesen war, fiel mit einem deutlichen Vorsprung an die Sozialisten. Nach 18 Jahren Amtszeit verlor der frühere Staatschef Valéry Giscard d'Estaing die Präsidentschaft der Auvergne an die Linke. Auch die große Hoffnung der Rechten, die wichtigste Region Ile-de-France - den Großraum Paris - zu erobern, erfüllte sich nicht, was das Debakel vervollständigt.

Seit den ersten Regionalwahlen 1986 war diese "Länderebene" eine Domäne der Bürgerlichen gewesen. Die Linke hatte aber nach und nach Einfluss gewonnen. Ihren größten Erfolg erreichte sie jetzt, indem sie die Regionalwahlen zur "nationalen Strafaktion gegen die Regierung" erklärte.

Die Nationale Front (FN) von Jean-Marie Le Pen nahm den bürgerlichen Parteien UMP und UDF in 17 Regionen als dritte Kraft in der Stichwahl Stimmen ab und erreichte im Schnitt 12,5 Prozent. Le Pen nannte das Wahlergebnis eine "erdrückende Niederlage für die Regierung", die sich mit ihrer Politik selbst bestraft habe.

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