Entführung im Irak:Steinmeier entsetzt über Geisel-Video

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Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier hat sich entsetzt über das neue Video mit den deutschen Geiseln im Irak gezeigt - und setzt weiter auf die Arbeit seines Krisenstabes.

Nach einer Unterredung mit seinem türkischen Kollegen Abdullah Gül sagte Steinmeier am Dienstag in Berlin: "Das Video ist schockierend, ist unmenschlich".

Der SPD-Politiker fügte hinzu, dass die Bundesregierung "unverändert in großer Sorge um das Schicksal der beiden in Irak entführten Deutschen" sei. Zugleich äußerte er seine Hoffnung, dass nicht zuletzt durch die Arbeit des Krisenstabes die Freilassung der beiden Geiseln gelingen werde.

Die neue Videobotschaft wurde nach Angaben des Sprechers des Auswärtigen Amtes, Martin Jäger, gegen Mitternacht ins Internet eingestellt und von den Experten des Krisenstabes gegen 1 Uhr entdeckt. Die Fachleute hätten das Video bereits in der Nacht intensiv ausgewertet und erste Einschätzungen vorgenommen, sagte der Sprecher.

Am Nachmittag wolle der Krisenstab seine Bewertung überprüfen und möglicherweise auch Schlussfolgerungen aus dem Video ziehen. Einzelheiten wollte Jäger mit Rücksicht auf die Arbeit des Krisenstabes nicht nennen. Vize-Regierungssprecher Thomas Steg sagte: "Der Krisenstab arbeitet sehr intensiv."

Die Entführer hatten der Bundesregierung in dem Video ein zweites Ultimatum zum Abzug der deutschen Truppen aus Afghanistan gestellt. Wie beim ersten Ultimatum drohten die Entführer, ihre Geiseln zu töten.

"Dieses Timing ist verblüffend"

Der Terrorismus-Experte Rolf Tophoven bewertet das neue Video als nächste Eskalationsstufe in einem Psycho-Krieg. "Ziel der Geiselnehmer ist eindeutig, den Druck auf die Bundesregierung zu erhöhen", sagte Tophoven. Offenbar wollten die Entführer signalisieren, dass sich Deutschland jetzt bewegen müsse.

Die Tatsache, dass das Video unmittelbar nach dem Abflug der deutschen Tornados nach Afghanistan aufgetaucht sei, lasse darauf schließen, wie gut die Entführer über die politische Lage informiert seien: "Dieses Timing ist verblüffend", sagte Tophoven.

Schließlich sei auch das erste Geisel-Video im Zusammenhang mit dem Tornado-Einsatz aufgetaucht, nämlich kurz nach dem Bundestagsbeschluss.

"Die Geiselnehmer kennen also die politische Situation in Deutschland. Folglich wissen sie auch ganz genau, dass die Bundesregierung nicht erpressbar ist", sagte Tophoven. Die Forderung nach einem deutschen Rückzug aus Afghanistan sei jedenfalls exorbitant und unrealistisch.

Zwar werde diese politische Forderung nach außen hin aufrechterhalten. "Ich denke aber, dass dies zur Inszenierung dieses Nervenkriegs gehört", sagte Tophoven. Trotz der neuerlichen Drohung sei nicht auszuschließen, dass hinter den Kulissen längst über Geld verhandelt werde: "Und wenn sie auf Geld aus sind, werden sie weiter pokern."

Aus dem verängstigten Eindruck, den die Geiseln auf dem Video machten, dürften jedenfalls keine Schlüsse auf die Motive ihrer Entführer gezogen werden: "Selbst, wenn es die Geiselnehmer in Wirklichkeit auf Geld abgesehen haben, werden sie ihre Drohkulisse in jedem Fall aufrechterhalten - gegenüber den Geiseln und gegenüber der Bundesregierung."

Dennoch sei das neue Geisel-Video auch ein Zeichen der Hoffnung: "Mit aller Vorsicht kann man sagen, dass es eine Verhandlungschance eröffnet. Wenn es ihnen nur darum ginge, Hannelore Krause und ihren Sohn zu töten, hätten sie das ja längst tun können."

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