Enteignung rechtens:Alteigentümer müssen auf Grundbesitz verzichten

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Der deutsche Staat ist nicht verpflichtet, von 1945 bis 1948 enteigneten Boden zurückzugeben. Die Klagen zweier Betroffener, darunter auch Ernst August Prinz von Hannover, wurden abgewiesen.

Von Helmut Kerscher

Vor dem Bundesverfassungsgericht sind erneut zwei Kläger gegen die Bodenreform in der sowjetischen Besatzungszone, unter ihnen Ernst August Prinz von Hannover, erfolglos geblieben. Karlsruhe sah auch aus völkerrechtlichen Gründen keine Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland zur Rückgabe der von 1945 bis 1949 enteigneten Grundstücke mit mehr als 100 Hektar an die Alteigentümer oder deren Erben.

Selbst wenn die Enteignungen durch die sowjetische Militäradministration völkerrechtswidrig gewesen wären, bestünden keine Rückgabeansprüche. Der deutsche Staat habe nach außen auf etwaige Ansprüche verzichten dürfen und nach innen hinreichende Ausgleichsregelungen geschaffen.

Die Deutschen hätten die Folgen des Zweiten Weltkriegs als "Schicksalsgemeinschaft" zu tragen und müssten individuelles Unrecht in bestimmten Grenzen ertragen, ohne dass in jedem einzelnen Fall ein angemessener Ausgleich oder gar die Rückgabe zu erlangen wäre.

Der Beschluss des Zweiten Senats erging fast 14 Jahre nach einem Urteil des Ersten Senats zur Bodenreform, mit dem der Einigungsvertrag bestätigt wurde.

Nach neuen Verfassungsbeschwerden mit völkerrechtlicher Begründung kam Karlsruhe nun zum gleichen Ergebnis. Gegenstand war damals wie heute die entschädigungslose Enteignung von 3,3 Millionen Hektar Land, was etwa einem Drittel der bodenwirtschaftlichen Nutzfläche der späteren DDR entsprach.

Das Verfassungsgericht ließ offen, ob Deutschland nach der Vereinigung als "zurückkehrender Souverän" Schadensersatzansprüche gegen die damalige Besatzungsmacht hatte.

Die Bundesrepublik habe 1990 im Rahmen der Zwei-Plus-Vier-Verhandlungen mit den Siegermächten des Zweiten Weltkriegs und der Noch-DDR auf etwaige Ansprüche aus der Haager Landkriegsordnung verzichtet. Dem stünden keine Normen des zwingenden Völkerrechts entgegen.

Der deutsche Staat sei zwar grundsätzlich verpflichtet, auf seinem Territorium die Unversehrtheit der elementaren Grundsätze des Völkerrechts zu garantieren.

Er müsse auch bei Völkerrechtsverletzungen nach Möglichkeit "einen Zustand näher am Völkerrecht" herbeiführen. Daraus folge aber keine Pflicht zur Rückgabe des durch die Bodenreform entschädigungslos entzogenen Eigentums. Die Bundesrepublik habe durch Verhandlungen erst die Voraussetzungen für die Vereinigung und damit für Ansprüche geschaffen.

Die jetzige Entscheidung stehe nicht im Widerspruch zur Menschenrechtskonvention und zur Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, wonach die in der unmittelbaren Nachkriegszeit entzogenen Eigentumsrechte von der Konvention nicht geschützt sind.

Verfassungsrichterin Gertrude Lübbe-Wolff widersprach der Entscheidung. "Der Senat antwortet auf Fragen, die der Fall nicht aufwirft, mit Verfassungsgrundsätzen, die das Grundgesetz nicht enthält", formulierte sie. Aktenzeichen: 2 BvR 955/00, 1038/01.

© SZ vom 2.12.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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