Energiepreise:Tanken macht schlechte Laune

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Die steigenden Energiepreise schlagen auf die Stimmung, auf den Konsum und letztlich auf die Konjunktur - wenn nichts geschieht. Die Parteien jedoch machen Patchwork-Politik.

Dieter Degler

Man darf es ja kaum noch laut sagen, geschweige denn schreiben: Ich fahre, sofern der Verkehr es zulässt, gerne schnell. Genauer: Ich fuhr gerne schnell. Denn neben Geschwindigkeitsbeschränkungen, Radarfallen und Dauer-Staumeldungen tragen seit einiger Zeit auch die Tankrechnungen dazu bei, dem Autofahren allmählich seinen letzten Reiz zu nehmen. Beim Tanken kommt man mit einem Fünfziger kaum noch hin, bei luxuriöseren Wagen ist bald der nächstgrößere Schein für eine Füllung fällig.

Heute denken Autofahrer beim Tanken mehr an die Rechnung als an den Spaß. (Foto: Foto: dpa)

Autofahren, obgleich die tägliche Routinestrecke zum Arbeitsplatz mehr Last als Lust verspricht, hatte einmal etwas von Freiheit, Individualität und Unabhängigkeit. Das ist nun jeden Tag ein bisschen mehr passé. Heute denkt man beim Tanken mehr an die Rechnung als an den Spaß. Und auch gleich an die Kosten für Strom und Heizung, die sich ebenso in die falsche Richtung entwickeln wie Super oder Diesel. Kurzum: Tanken macht schlechte Laune.

Dass ich mit diesem Leiden nicht alleine dastehe, ist zwar irgendwie tröstlich, macht die Sache aber volkswirtschaftlich nur schlimmer. Die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) ermittelte diese Woche, dass die Verbraucherstimmung weiter auf dem Weg in den Keller ist. Die Neigung zu größeren Anschaffungen sackte auf den niedrigsten Stand seit drei Jahren. Grund, so die GfK: Die ständigen Meldungen über Energie-Rekordpreise in Kombination mit Inflationsängsten und lahmender Weltkonjunktur.

So wird die Stimmung zur Konjunkturfalle: Preise steigen, Angst entsteht, Konsum wird eingeschränkt und zack - ist die Rezession da.

Die schiefe Ebene in den wirtschaftlichen Abschwung zu verhindern, wäre vor allem Aufgabe der Politik. Doch europaweit und quer durch die Parteien sind zwar populistische Parolen, aber kein erstzunehmendes Konzept zu erkennen. Der bürgerliche EU-Kommissionschef Barroso empfiehlt einen flächendeckenden Sozialtarif, von dem niemand weiß, wie ihn Regierungen, zumal weniger betuchte als die deutsche Koalition, bezahlen sollen.

Angela Merkel ist dagegen und redet Unsinn über die Versorgung von Hartz-IV-Empfängern. Die CSU fordert die Rückkehr der Pendlerpauschale (Angela Merkel ist dagegen) und mehr Atomenergie (Angela Merkel ist eigentlich dafür, aber als Koalitionärin dagegen). Die Grünen verkünden weiterhin die reine Lehre von einem Leben ohne Kohle und Atom, dafür aber mit dem Ein-Liter-Auto. Und die Linke fordert, welch Überraschung, dass Konzerne, Reiche und Besserverdienende zahlen sollten.

Man könnte lachen, wenn es nicht so traurig wäre: Jeder schlägt ein bisschen Patchwork-Politik nach ideologischem oder wahltaktischem Gusto vor. Die Koalition erkennt zwar allmählich Handlungsbedarf, ist aber handlungsunfähig. Es sieht, wieder mal, danach aus, als müssten wir alle unseren individuellen Weg durch die Krise finden. Die Energiepreise werden weiter steigen. Und der nächste Winter kommt bestimmt.

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