Energie-Konferenz:Schlechtes Vorbild Europa

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Vom Kyoto-Protokoll bis zum Emissionshandel - die Europäer bleiben in der Klimapolitik weit hinter ihren Versprechen zurück.

Von Wolfgang Roth

Die Gastgeber der Bonner Energie-Konferenz haben einiges vorzuweisen:

Deutschland hat es mit Hilfe garantierter Abnahmepreise für die Einspeisung des Stroms geschafft, bis Ende 2003 so viele neue Windanlagen zu errichten, dass theoretisch bis zu 15.000 Megawatt Strom aus Windkraft produziert werden können - zehn Mal so viel wie aus einem durchschnittlichen Kernkraftwerk.

Die rot-grüne Regierung will den Anteil der erneuerbaren Energie an der Stromerzeugung bis 2010 von unter zehn auf 12,5Prozent steigern.

Für das Jahr 2020 ist ein Anteil von 20 Prozent angepeilt. Das ist vor allem dann möglich, wenn die in der Nord- und Ostsee geplanten gewaltigen Windparks realisiert werden.

An der Technik wird es vermutlich nicht scheitern. So ist etwa das notwendige Know-How für die sichere Verankerung der Anlagen vorhanden.

Wenn der Anteil der Windenergie größer wird, steigt aber auch die Abhängigkeit von den Launen des Windes, der mal stärker, mal schwächer bläst.

Um derlei Schwankungen auszugleichen, sind weiter herkömmliche Kraftwerke notwendig. Auch muss viel in neue Versorgungsleitungen investiert werden.

So wie weltweit sind auch in Deutschland derzeit Wasserkraftwerke führend bei der Erzeugung von Ökostrom, ihr Anteil lässt sich hier zu Lande aber nur durch teure neue Turbinentechnik erhöhen.

Auch gemessen an den Klimaschutz-Zielen des - noch unverbindlichen - Kyoto-Protokolls, steht Deutschland vergleichsweise gut da. Das gilt vor allem für die Minderung der Treibhausgase.

Klimapolitische Gesamtbilanz der EU ist schlecht

Hier haben von den Staaten der Europäischen Union nur Großbritannien, Luxemburg und Schweden eine ähnlich gute Bilanz wie Deutschland.

Zurückgegangen ist der Treibhausgas-Ausstoß auch in Frankreich, vor allem wegen des dortigen hohen Anteils an Strom aus Kernkraftwerken.

Italien und Spanien, aber auch sich fortschrittlich gerierende Nationen wie Österreich und die Niederlande sind dagegen weit von den Zielen entfernt, die das Kyoto-Protokoll bis zum Jahr 2012 vorsieht.

Die klimapolitische Gesamtbilanz der Europäischen Union ist schlecht - ein eklatanter Widerspruch zu der auch vor zwei Jahren beim Umweltgipfel in Johannesburg propagierten Vorreiterrolle der Europäer.

Mit der Konferenz in Bonn haben all diese Themen viel zu tun, auch wenn sie nicht direkt auf der Tagesordnung stehen.

Die Klima-Bilanz lässt sich nämlich derzeit nur auf zwei Wegen verbessern: entweder stärkere Förderung erneuerbarer Energie plus effizientere Nutzung von Energie plus Einsparungen - oder deutlich mehr Atomstrom. Neue Atom-Reaktoren sind aber nur in Finnland und Frankreich geplant.

Um diese Schieflage zu beenden, will die EU-Kommission nächstes Jahr mit dem Emissionshandel beginnen: Die Mitgliedsstaaten müssten sich dann mit ihren Industrieanlagen ernsthaft an den Kyoto-Zielen orientieren.

Unternehmen, die die ihnen zugeteilten Mengen an Treibhausgasen überschreiten, wären gezwungen, für teures Geld Berechtigungsscheine aus den Ländern zu erwerben, die den für sie vorgehenen Ausstoß einhalten oder unterschreiten.

Die meisten EU-Länder haben inzwischen nach Brüssel gemeldet, wie sie den Emissionshandel umsetzen wollen. Diese Pläne sind jedoch von höchst unterschiedlicher Qualität, wie sich erst am Mittwoch im Umweltausschuss des Bundestags zeigte.

Dort legte die Regierung einen Bericht vor, dem zufolge einige Staaten die Menge der erlaubten Treibhausgase großzügig am prognostizierten Wachstum ihrer diversen Industrie-Branchen ausgerichtet haben - aber nicht an ihren Kyoto-Verpflichtungen.

In Dänemark etwa sollen 2007 acht Prozent mehr Treibhausgase ausgestoßen werden als 2002 - laut Kyoto-Protokoll müssten es 21 Prozent weniger sein. Die Bundesregierung fordert deshalb "eine konsequente Prüfung durch die Kommission und gegebenenfalls Nachbesserungen".

Ein ähnlicher Widerspruch zwischen Versprechungen und Wirklichkeit ist auch bei erneuerbaren Energie nicht auszuschließen. Für sie ist jedenfalls auch in der EU viel Überzeugungsarbeit zu leisten - auf der Bonner Konferenz und noch lange danach.

© SZ vom 29.5.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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